Essen. . Schüchternheit und Schokolade: „Die Anonymen Romantiker“ sind eine zartbittere Liebeserklärung an alle Zartbesaiteten dieser Welt. Und ein Film, der die Kunst des Verführens und des Pralinenmachens feiert.

Das Kino der Gegenwart ist ja voll von Süßkram, bis hin zum Zuckerschock. Man wundert sich, warum die EU noch keinen Warnhinweis für Kinoromanzen gefordert hat: „Achtung, dieser Film verdirbt den Magen und das Realitätsempfinden!“

Aber nun kommt der französische Regisseur Jean-Pierre Améris und packt in sein Leinwand-Praliné lauter seltene Zutaten: Paprika, Minze und grünen Tee, aber auch Schüchternheit, Selbstzweifel und die Problematik einer kleinen, vermeintlich überempfindsamen Bevölkerungsgruppe, der hochsensiblen Persönlichkeiten“, kurz HSP. Und, et voilà herausgekommen ist mit „Die anonymen Romantiker“ ein luftiges Liebes-Mousse, eine zuckersüße, aber zarte Versuchung in der gefühlssatten Romanzen-Welt.

Kein Mann fürs Süßholzraspeln

Dass Isabelle Carré jeden Morgen in Milch badet, glaubt man ohnehin, wenn sie als Angélique mit Goldlocken und Marzipanhaut zum Bewerbungsgespräch in die Schokoladenmanufaktur federt. Schön und scheu wie sie ist, schafft sie es nicht mal, den für sie komplett falschen Job abzuwimmeln -- als Verkaufsleiterin der Firma. Ausgerechnet Angélique, die doch eine Frau für die inneren Werte ist, vor allem für die Füllung feinster Schokoladen. Jahrelang hat sie als geheimer Chocolatièr in Paris von sich reden gemacht. Nun ist der Ladenbesitzer tot und Angélique muss Pralinen verkaufen, die nicht ansatzweise so raffiniert und geschmackvoll sind wie ihre Kreationen. Es muss kein süßes Geheimnis bleiben, dass Angélique am Ende nicht nur das Süßwaren-Sortiment, sondern auch den Firmenchef Jean-René umgekrempelt hat.

Dass Benoit Poelvoorde als Jean-René eigentlich kein Mann fürs Süßholzraspeln ist, kann man derzeit im Kino bei seinem cholerischen Auftritt in Dany Boons Grenzkomödie „Nichts zu verzollen“ beobachten. Als Schokoladenfabrikant ist er nicht minder aufgedreht, quatscht den Therapeuten voll, schwitzt beim Rendezvous diverse Hemden durch und vermasselt den romantischen Einsatz auf der gemeinsamen Dienstreise.

Ode an die Isolierten

Das alles ist charmant und vergnüglich anzusehen und hat doch seinen zartbitteren Kern. Améris, der sich selber zu den hochsensiblen Persönlichkeiten zählt, hat eine Lanze brechen wollen für die Schüchternen, Furchtsamen, die Isolierten, die im Leben ihren Platz suchen. Und wie er die Geschichte abschmeckt, mit Komik, Karamell und den kuriosen Symptomen eines noch recht unbekannten Krankheitsbildes, kann er sogar echten Draufgängern damit einen Abend versüßen.