Essen. . Wer diesen Film besucht, erlebt Kino der ganz anderen Art: Terrence Malick konfrontiert sein Publikum mit einem kosmischen Bilderrausch, bei dem der Urknall am Anfang steht. Eigentlich aber geht es um Erinnerungen an ein Familienleben im Amerika der 50er Jahre.

Terrence Malick hatte schon immer ein besonderes Geschick, sich interessant zu machen. Sein anhaltendes Versteckspiel mit den Medien, das ihn zum Phantom des Kinobetriebs hat werden lassen, ist mit Scheu allein kaum zu erklären – lediglich fünf Filme in 35 Jahren, das schlägt selbst einen Langzeit-Arbeiter wie Stanley Kubrick um Längen und befeuert das Interesse am neuen Werk automatisch.

„The Tree of Life“ kommt kurze sechs Jahre nach „The New World“. Und wenn es bisher der zunehmende Naturmystizismus war, der die Filme des studierten Philosophen kennzeichnete, so geht er jetzt bis ans Äußerste: Der Mensch selbst wird zum Randereignis kosmischer Schöpfungsgeschichte. Malick fährt schwere optische Geschütze auf, konfrontiert den Zuschauer mit einem nicht enden wollenden Bilderrausch, der mit einer Vision vom Urknall beginnt und sich danach durch die Erdgeschichte arbeitet. Unterlegt mit aufwühlender Musik von Bach bis Berlioz strömen Gasmassen zusammen, brodelt Magma, schweben Quallen vorbei und selbst die Saurier müssen herhalten. Die Ausdauer, mit der Malick diese Sequenzen in die Länge treibt, lässt das Staunen irgendwann denn doch der Erkenntnis weichen, dass hier auch eine gehörige Portion schwülstiger Me­ta­physik mit im Spiele ist.

Fetzenartige Erinnerungen

Leidtragende dieser ganzen visuellen Überwältigungsstrategie ist die Familie O’Brien, deren Leben in einem Amerika der 50er-Jahre schließlich den erzählerischen Kern des Films bilden soll. Eine knappe Stunde braucht es, bis man nach viel optischem Gloria endlich die Chance erhält, den Fünf-Personen-Haushalt kennenzulernen. Auch hier sollte man keine lineare Handlungsführung erwarten. Was wir fetzenartig sehen, sind Erinnerungen des ältesten Sohnes Jack (als Erwachsener: Sean Penn), inzwischen erfolgreicher Architekt, an seine Kindheit. An seine Mutter (Jessica Chastain), immer liebevoll, immer verzeihend, und seinen Vater (Brad Pitt), der den Söhnen die Härte des Lebens vermitteln will und sich dabei selbst als harter Erzieher gebärdet. Die Entscheidung, im Leben den Weg der Gnade oder der Natur zu gehen, findet hier ihre Entsprechung. Man kann Brad Pitt nur bewundern, wie er in diesen Sequenzen den einzig wirklichen Charakter des Films formt: eine sich selbst verleugnende Seele voller Liebe, ein verkappter Musiker, der sein Talent nur noch an der Kirchenorgel ausleben darf.

Ein Fest der Toten

Das Ende ist so etwas wie ein Fest der Toten. Man sieht Jack, wie er in einer Art Wattenmeer vielen Verstorbenen begegnet, zu denen er möglicherweise schon bald selbst gehören wird. Auf der Tonspur hört man ein schwächer werdendes, schließlich ganz aussetzendes Piepen wie auf der Intensivstation. Immerhin wäre das eine Erklärung: Im Nahtodbereich mag man auch Kosmisches träumen.