Cannes. Brad Pitt im Interview über den Film „The Tree of Life“, der in Cannes die „Goldene Palme“ gewonnen hat, und dessen Regisseur Terrence Malick, über Vätersorgen, die Sehnsucht nach einem normalen Leben und die Pflicht zu helfen.

Die „Goldene Palme“ ging nicht von ungefähr an „The Tree of Life“, der neue Film von Ausnahmeregisseur Terrence Malick, der heute in unsere Kinos kommt, ist ein Meisterwerk von eigener Güte. Dafür lässt sich auch ein Superstar wie Brad Pitt gern einspannen: Weißer Pulli, hellblaue Hose, graues Bärtchen, gegeltes Haar, Goldkettchen und eine gelb getönte Sonnenbrille vereinen sich mit dem notorischen Grinsen zur coolen Lässigkeit. Unser Mitarbeiter Dieter Oßwald sprach mit ihm.

Verdeckt Ihre Sonnenbrille eigentlich gewisse Fältchen?

Pitt: Ohne Brille sehe ich nicht mehr gut – das passiert eben, wenn man 40 geworden ist. Da hält man die Zeitung immer weiter weg und irgendwann sieht man auch in der Ferne nicht mehr gut. Ich habe überhaupt nichts gegen das Älterwerden und auch nichts gegen Falten. Ich würde jederzeit Weisheit gegen Jugend eintauschen. (lacht)

Um den öffentlichkeitsscheuen Regisseur Terrence Malick ranken sich viele Geheimnisse. Wie haben Sie den Maestro erlebt?

Terrence ist einer der bescheidensten Menschen, die man sich vorstellen kann. Er hat eine sehr enge Beziehung zu Gott. Wobei seine Vorstellung von Gott eher einer philosophischen Denkweise als der christlichen Religion entspricht.

Was zeichnet einen guten Regisseur aus?

Der Unterschied zwischen einem guten und einem großartigen Regisseur liegt darin, dass die großartigen Filmemacher alle ihre Figuren lieben – und ihre Mitarbeiter.

Spiritualität ist das große Thema des Films, welche Rolle spielt das für Sie persönlich?

Für mich, der in einer christlichen Umgebung aufwuchs, gab es immer die ganz großen Fragen, aber mit den Antworten war ich eigentlich nie zufrieden. Ab einem bestimmte Alter wird dir klar, dass das Leben nicht endlos ist, dass man irgendwann sterben muss und dass auch geliebte Menschen von uns gehen. Diese Fragen beschäftigen mich auch heute als Erwachsener und als Vater. Als ich den Film hier in Cannes nochmal gesehen habe, wurde mir noch deutlicher, dass es eine Schönheit und einen Frieden gibt und man diesen Frieden finden kann, wenn man das Unbekannte akzeptiert.

Träumen Sie bisweilen nicht davon, ein ganz normales Leben zu führen?

Das habe ich aufgegeben! (lacht). Aber für uns ist das ja ein normales Leben. Als Vater habe ich die gleichen Sorgen wie jeder andere: Ist meine Familie sicher? Bekommen die Kinder alle Möglichkeiten, die sie brauche? Verbringe ich genügend Zeit mit ihnen? Mit solchen Fragen landet man immer wieder sehr schnell in der Realität. Das Chaos beim Frühstück ist bei uns übrigens nicht kleiner als bei anderen. Auch unsere Kids verteilen die Pfannkuchen gerne über den ganzen Tisch.

Von Privatleben kann freilich nur hinter Schlossmauern die Rede sein...

Natürlich haben wir in bestimmten Bereichen das Privatleben verloren. Ich versuche so gut wie möglich, meine Kinder vor Fotografen zu schützen. Aber dafür haben wir auf der anderen Seite die großartige Möglichkeit, um die ganze Welt zu reisen. Dieser Kontakt mit anderen Kulturen ist eine unglaubliche Bereicherung für meine Kinder.

Wie sieht die Erziehung im Hause Pitt-Jolie aus?

Ich versuche, meine Frustrationen nicht mit nach Hause zu bringen. Ich möchte, dass meine Kinder sich frei und unbelastet fühlen. Und wenn sie mich brauchen, dann will ich für sie da sein. Zugleich lerne von meinen Kindern enorm viel über mich selbst. Als junger Vater habe ich mich oft dabei erwischt, dass ich die Sätze meiner Eltern übernommen habe. Aber das hat sich inzwischen geändert.

Sie engagieren sich sehr für humanitäre Projekte, warum ist Ihnen das so wichtig?

Wer sich engagiert, bekommt für sich persönlich immer auch etwas zurück. Ich bin ja in einer sehr privilegierten Lage, mein Leben ist wie ein Hauptgewinn im Lotto. Das ist nicht mein eigenes Verdienst, sondern das verdanke ich dem Glück. Deswegen finde ich es sehr wichtig, mein Glück und meinen Wohlstand mit anderen zu teilen. Ich habe in Katastrophengebieten die Erfahrung gemacht, wenn man dort einem Menschen die Hand reicht, dann verändert diese Hilfe auch dessen Blick auf die Welt. Und das setzt sich fort. Zu helfen ist für mich eine Pflicht.