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Der Mexikaner Alejandro Gonzalez Iñárritu ist bekannt für schwermütige Filme. Sein neuestes Werk „Biutiful“ setzt dem aber die Krone auf. Alles Leid der Welt kommt über Uxbal: Javier Bardem war für einen Oscar nominiert.

Wenn es einem so richtig dreckig geht und keinen Ausweg mehr weiß, dann könnte dieser Film tatsächlich aufbauend wirken. Denn „Biutiful“ von dem Mexikaner Alejandro Gonzalez Iñárritu konfrontiert uns hier in Gestalt des Spaniers Uxbal (Javier Bardem) mit einem Zeitgenossen, der alles Unglück dieser Welt auf seinen schwächer wer­denden Schultern zu tragen hat. Auf positiver eingestellte Menschen jedoch wartet hier ein derart schwer zu ertragender Blick in menschliches Elend, dass Depressionen nicht auszuschließen sind.

Iñárritu hat mit seinen drei Ensemblefilmen und ihren kunst­voll verknüpften Schicksalen eine gewisse Meisterschaft errungen. In „Amores Perros“, „21 Gramm“ und „Ba­bel“ wird von Zufällen erzählt, die Schicksale fundamental verändern können, se­hen wir, dass ein im Nahen Osten abgefeuerter Schuss Auswirkungen bis nach Japan haben kann. Die Tragik ist in diesen Filmen auf viele Schultern verteilt, das macht sie erträglicher

Und dann noch Krebs

In „Biutiful“ jedoch probt der Filmemacher so etwas wie die Kondensierung des Elends in Gestalt eines einzigen Mannes. Uxbal lebt in einer schäbigen Wohnung in einem noch schäbigeren Vorort von Barcelona, er betätigt sich als Kleinkrimineller, vermittelt illegale chinesische Arbeitskräfte, hilft Schwarzmarkthändlern durch seine Kontakte zur Polizei und sahnt bei trauernden Hinterbliebenen ab, weil ihm der Ruf vorausgeht, mit Toten sprechen zu können. Warum er in diesem Milieu gelandet ist, lässt Iñárritu offen. Uxbal muss sich und seine zwei kleinen Söhne durchbringen, er ist geschieden von einer Frau mit psychischen Störungen. Das allein sichert ihm bei allem illegalen Tun bereits die Sympathie des Zuschauers.

Die Situation verschlimmert sich. Die Polizei kommt Ux­bals Machenschaften auf die Spur. Die von ihm besorgten Gasöfen, die den chinesischen Illegalen in ihrem Versteck Wärme schenken sollten, sind defekt und kosten 25 Menschen das Leben. Und dann bewahrheitet sich für Uxball auch noch die Diagnose Prostata-Krebs im Endstadium. Die Kamera hatte schon seit einiger Zeit den rötlichen Urinstrahl des traurigen Helden gezeigt.

Javier Bardem spielt diese Apokalypse eines einzelnen Menschen mit großer Ruhe und Sanftheit, ein Auflehnen gegen das Unvermeidliche ist bei ihm nicht zu spüren. Höchstens Trauer um den erzwungenen, viel zu frühen Abschied von seinen Kindern. Und so muss man denn den Sinn dieses Unternehmens wohl auch deuten: als schwermütiges Requiem auf den verschwindenden Vater, denn auch Uxbals Erzeuger, das erfahren wir aus Rückblenden, ist viel zu früh verschieden, als dass der Sohn ihn hätte kennenlernen können. Bardems Leistung verlangt höchsten Respekt ab; Iñárritus frühere Geschichten-Puzzles aber faszinieren mehr.