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Liam Neeson im Kampf gegen das Vergessenwerden: Von seiner Frau wird er nicht mehr erkannt, dazu sind ihm auch noch Killer auf den Fersen: „Unknown Identity“ ist ein spannender Psychothriller mit deutscher Beteiligung und Berlin als fabelhafte Filmkulisse.

Wie soll man mit einer solchen Situation fertig werden? Da kommt ein Mann, dessen Identität uns als Dr. Martin Harris doch bekannt scheint, ins noble Berliner Hotel Adlon – und niemand will sich mehr an ihn erinnern. Schlimmer noch: Seine vermeintliche Gattin verleugnet ihn und präsentiert stattdessen einen ganz anderen Martin Harris als ihren Ehemann.

Es gibt zahlreiche Thriller, die mit solchen traumatischen Momenten des Ich-Verlustes oder der plötzlichen Risse in der als vertraut scheinenden Wahrnehmung spielen. An Roman Polanskis „Frantic“ denkt man da sofort, in dem Harrison Ford in Paris von jetzt auf gleich seine Frau verliert. Oder an Alfred Hitchcock, der in „Eine Dame verschwindet“ Ähnliches in einem Zug ausprobiert. Hier heißt der Regisseur Jaume Collet-Serra, ist ein in Los Angeles lebender Spanier, der zuletzt im Horror-Genre reüssierte („Orphan - Das Waisenkind“) und nun „Unknown Identity“ ganz und gar in Berlin realisiert hat.

Bruno Ganz als ehemaliger Stasi-Mann

Liam Neeson ist dieser Martin Harris, der mit Frau an die Spree gekommen ist, um dort an einem biotechnischen Kongress teilzunehmen. Alles ist seinen rechten Weg gegangen, bis am Flughafen eine Tasche mit wichtigen Unterlagen auf dem Gepäckwagen vergessen wurde und der Wissenschaftler deshalb noch vor dem Hotel in ein Taxi springt, um zurückzufahren. Seine Frau, die derzeit beim Einchecken ist, will er über Handy verständigen, bekommt aber kein Netz. Dann hat das Taxi mit seiner illegalen bosnischen Fahrerin Gina (Diane Kruger) auch noch einen Unfall, landet in der Spree und Harris entkommt nur knapp dem Tode.

Wie die meisten Drehbücher zu Thrillern dieser Bauart kann man sich ständig nur auf eine gefühlte Logik berufen. Man darf bloß nicht anfangen, die einzelnen Handlungsschritte zu analysieren, dann können einem Spaß und Spannung rasch vergehen. Wer sich aber auf „Unknown Identity“ einlässt, der wird 113 Minuten bestens bedient, der kann es sogar genießen, wenn sich der Film selbst nicht ganz ernst nimmt.

Das Hotel Adlon fliegt teilweise in die Luft

Ausgerechnet jemand wie Bruno Ganz hat dieses Prinzip begriffen. Er spielt seinen ehemaligen Stasi-Mann Ernst Jürgen mit einer derart diebischen Lust, dass dieser zerknitterte Veteran mit seiner Lobpreisung der alten DDR-Zeiten fast zu einer zentralen Figur gerät. Harris (oder nicht Harris) engagiert ihn als Detektiv, der Licht in die wahrlich sehr undurchsichtige Sache bringen soll. Wenn einem der Boden unter den Füßen entzogen wird, dann paktiert man sogar mit den Gegnern von einst.

Vielleicht ist Film tatsächlich die Kunst, dem Menschen alles plausibel machen zu können, wenn die Regie es nur schafft, mit der richtigen Aktion und den richtigen Akzenten die Dinge am Laufen zu halten. Das tut sie hier mit großem Sachverstand: Liam Neesons Bewegungen werden im Verlauf des Films immer schneller, nicht zuletzt, weil inzwischen auch ein Killer hinter ihm her ist. Zuerst läuft er allein, später mit der hilfreichen Taxifahrerin, die eigentlich nur deshalb vorhanden ist, weil der Held sich auch mal austauschen muss.

Sagen wir es so: „Unknown Identity“ ist pures Kino. Wir glauben daran, weil wir es spannend finden. Und weil wir endlich alle Verästelungen des Komplotts durchschauen wollen. Auch wenn das Hotel Adlon dabei teilweise in die Luft fliegt.