Berlin. Die Priestergrotte in der Ukraine ist eine der größten Gipshöhlen der Welt - kalt, feucht und dunkel. 38 ukrainische Juden überlebten hier den Holocaust. Der Film «No Place On Earth - Kein Platz zum Leben» erzählt jetzt ihre Geschichte.

Die Ukraine war einer der blutigsten Schauplätze der NS-Vernichtungspolitik: Die Nazis rotteten jüdisches Leben fast vollständig aus, bis zu 1,5 Millionen ukrainische Juden wurden ermordet. Der Film «No Place On Earth - Kein Platz zum Leben» erzählt jetzt die ebenso unglaubliche wie erschütternde wahre Geschichte einer jüdischen Großfamilie, die dem sicheren KZ-Tod durch Flucht in eine Höhle entkommt. 511 Tage - fast eineinhalb Jahre - lebten insgesamt 38 Menschen ohne Licht, hungernd und frierend unter der Erde.

«Es sollte eine Abenteuer-Überlebensgeschichte werden», sagt US-Regisseurin Janet Tobias laut Presseheft. «Himmel und Hölle tauschen hier die Plätze. Die finsteren, beängstigenden Orte in der Tiefe waren nun ein Hort der Sicherheit - und draußen waren die Monster.» Herausgekommen ist eine bewegende, manchmal allerdings etwas atemlose Dokumentation, die um zahlreiche nachgestellte Spielszenen ergänzt wird.

Flucht unter die Erde

Hauptfigur ist die resolute jüdische Bäuerin Esther Stermer, die nach dem Einmarsch der Deutschen in die Ukraine ihre Familie und einige Freunde 1942 zur Flucht unter die Erde bewegt. Anfangs ist die Situation noch vergleichsweise erträglich, weil die Verfolgten Lebensmittel, Brennholz und Kerzen mitnehmen können. Doch als die Gestapo nach einem halben Jahr das Versteck aufspürt, kann die Gruppe nur unter dramatischen Umständen entkommen und eine neue Zuflucht finden.

Nach mehr als 60 Jahren suchen Saul Stermer, Sima und Sonia Dodyk und Sam Stermer in einer Szene des Films die Priestergrotte auf. (Foto: Senator Filmverleih/dpa)
Nach mehr als 60 Jahren suchen Saul Stermer, Sima und Sonia Dodyk und Sam Stermer in einer Szene des Films die Priestergrotte auf. (Foto: Senator Filmverleih/dpa) © Unbekannt | Unbekannt

Die Emmy-gekrönte TV-Produzentin Tobias («Life 360») stützt sich in ihrem Film auf die Recherchen des US-Höhlenforschers Christopher Nicola, der dem Schicksal der Familie Stermer vor 20 Jahren auf die Spur kam. Vor allem aber traf sie in Kanada noch lebende Familienangehörige, die bereit waren, über ihre oft traumatischen Erinnerungen Auskunft zu geben.

"Großzügige, gute Menschen"

«Am allermeisten erstaunt mich die Tatsache, dass diese Menschen die Gräuel des Krieges und den Völkermord erlebt haben und dennoch einen Weg finden konnten, um großzügige, gute Menschen zu sein», so die Regisseurin.

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Besonders beeindruckend sind die beiden Brüder Sam und Saul Stermer, die - inzwischen weit über 80 - mit viel Witz und Humor von ihrem damaligen Überlebenskampf erzählen: der nächtlichen Suche der Männer nach Lebensmitteln, dem schwierigen Alltag im selbst gewählten Gefängnis und vor allem dem zermürbenden Warten auf das Ende des Krieges.

"Wo sind bloß all die Menschen?"

Allerdings setzt die Regisseurin so sehr auf die Zeitzeugen, dass die mit ungarischen Laienschauspielern aufwendig nachgestellten Szenen manchmal fast von Worten erschlagen werden. Dabei gelingt es dem Oscar-nominierten Kameramann César Charlone («Der ewige Gärtner») und dem deutschen Lola-Preisträger Alexander Berner («Das Parfüm») als Cutter überzeugend, die bedrückende Atmosphäre dauernder Dunkelheit spürbar zu machen.

Während die Spielszenen in Ungarn entstanden, ging das Team mit einigen Überlebenden und deren Enkeln auch an die Orte des Geschehens zurück - die Verteba-Höhle und die Priestergrotte in der Ukraine. In ihrem ehemaligen Heimatort Korolowka, der einst eine lebendige jüdische Gemeinde hatte, treffen die Stermers auf verlassene Häuser. «Wo sind bloß all die Menschen?», fragt Sam. Es leben keine Juden mehr in Korolowka. (dpa)