Essen..
Ein Franzose filmt Graffiti-Künstler und macht auf Anraten von Subkultur-Superstar Banksy schließlich selbst Street Art: Diese Geschichte ist vielleicht so unwahr wie unglaublich - zu sehen in dem Film „Banksy - Exit Through the Gift Shop“.
Der Mann ist ein Phantom. Und ein Superstar, so weit das in einer Subkultur funktioniert. Er nennt sich Banksy, arbeitet oft im Dunkeln, und in der Öffentlichkeit weiß niemand, wie die Street-Art-Ikone aussieht. Aber für seine Kunst, die Banksy zuerst nur auf der Straße machte, zahlen die Sammler inzwischen haufenweise Geld. Um all das geht’s auch in „„Banksy – Exit Through the Gift Shop“: Der Film läuft ab Donnerstag im Kino.
Ein Franzose, der in Los Angeles Second-Hand-Klamotten verkauft, gerät über seinen Graffiti sprühenden Cousin Invader aus Paris mit seiner Hobby-Videokamera in die Street-Art-Szene. Thierry Guetta dreht und dreht, trifft auf den Amerikaner Shepard Fairey, dessen Kunst als Grafiker wohl auch zu Präsident Obamas Wahlsieg beigetragen hat, und lernt schließlich den britischen Street-Art-Star Banksy kennen. Filmt ihn bei Guerilla-Kunstaktionen, bis Banksy Guetta vorschlägt, selbst Kunst zu machen. Schon bei seiner ersten Ausstellung verkauft der haufenweise Stücke, die er von Mitarbeitern hat anfertigen lassen. Und Banksy sagt mit unkenntlich gemachtem Gesicht und verzerrter Stimme: „Ich habe immer alle ermutigt, Kunst zu machen. Das werde ich nicht mehr tun.“
Schwarz sehen für die Kunst in der Grauzone
Ganz schön langatmig, wie die Geschichte aufgebaut wird – wenn Banksy beim Sprühen so arbeitete, müsste man Schwarz sehen für seine Kunst in der Grauzone. Dann würde der Mann, dessen Schablonen-Arbeiten auf Häuserwänden den Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllen und auf dem Kunstmarkt hoch gehandelt werden, vermutlich mehr Nächte im Gewahrsam verbringen als mit Graffiti.
„Exit through the Gift Shop“ wird als Banksys Regie-Debüt gehandelt und ist vielleicht eine Dokumentation, vielleicht aber auch so authentisch wie das Alpenpanorama, mit dem Banksy die Betonmauer, die Israel vom Westjordanland trennt, scheinbar durchsichtig gemacht hat. Oder wie die engumschlungen knutschenden Bobbys in ihren hohen Helmen, die er auf eine Londoner Häuserwand gesprüht hat. Da stellt sich die Frage: Spielt das überhaupt eine Rolle?
Was ist echt, wahr und wichtig?
Nichts von den sichtbaren Dingen, die Banksy macht, ist ohne Witz und Hintersinn, am liebsten auf mehreren Ebenen. Deshalb ist es schwer vorstellbar, dass diese Dokumentation ernst gemeint sein soll. Zumindest nicht mit dem, was sie vordergründig erzählt, dafür erzählt sie’s visuell und dramaturgisch zu langweilig. Ihr Erfolg ist, dass man sich während eines Großteils der 86 Film-Minuten fragt, was daran jetzt echt ist, wahr und wichtig. Was Banksy mit seiner Kunst ja gern auch fragt, in der Gesellschaft im Allgemeinen und der Kunstwelt im Speziellen. Wobei er bei dem Erfolg, den er mit seiner subversiven Weltsicht inzwischen auch finanziell hat, von den Gewissensbissen eigentlich die Tollwut bekommen müsste, die seine Ratten mit Gettoblaster oder Farbeimern schon zu haben scheinen. Aber vielleicht lacht er sich unter seiner Kapuze auch tot.
Ob echt oder nicht, „Exit Through the Gift Shop“ läuft am 21. Oktober in den deutschen Kinos an. Und im April 2011 – nur ein Jahr nach dem amerikanischen Kinostart, kann das Zufall sein? – wird’s im Museum of Contemporary Art in Los Angeles die größte Street-Art-Ausstellung der bisherigen Graffiti-Geschichte geben, mit Arbeiten von rund 100 Künstlern, darunter Shepard Fairey, Invader und selbstverständlich Banksy. Wer zum Beispiel das Essener Museum Folkwang besucht und vor dem Gehen noch im Shop vorbeischaut, kann da auch echte Banksys finden. Auf Fotos, zwischen Buchdeckeln.