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Er gilt als Wegbereiter des schwulen Kinos in Deutschland. In den 1970ern erschütterte Rosa von Praunheim mit Filmen wie „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation in der er lebt“ die Republik. Sein neuer Dokumentarfilm „Die Jungs vom Bahnhof Zoo“ beschäftigt sich mit der Situation von Strichern. Zur Premiere stand die Fan-Gemeinde vor der Kinokasse Schlange, wie jetzt im Essener „Eulenspiegel“. Mit Martina Schürmann sprach Rosa von Praunheim (68) über schwule Politiker, Outings und Provokation.

Der Literaturkritiker Fritz J. Raddatz behauptet, nur erfolgreichen Homosexuellen verzeihe der deutsche Spießer ihre Neigung. Letztlich werde auch Guido Westerwelle daran scheitern. Teilen Sie diese Einschätzung?

„Gays against Guido“ steht auf einem Button der Schwulenbewegung. Das hat aber nichts mit Homosexualität zu tun, wir kritisieren halt seine Politik. Ich glaube auch nicht, dass das noch so eine große Rolle spielt. Man hat das bei Klaus Wowereit gesehen, dass er sich geoutet hat und trotzdem wiedergewählt wurde.

„Ich bin schwul und das ist gut so.“ Können solche Bekenntnisse heute nutzen?

Man kann die Wirkung immer noch nicht kalkulieren. Wowereit war aber ein wichtiger Schritt. Einer, der sich für die Schwulenbewegung engagiert hat und trotzdem in der Öffentlichkeit männlich und machtvoll rüberkam. Sonst haben die Figuren eher Narrenstatus. Deshalb war Westerwelle zunächst eine Enttäuschung. Gerade bei ihm hätte man sich mehr Rückgrat gewünscht, wenn er mit seinem Freund in Ländern reist, die als homophob gelten.

Wem würden Sie momentan mehr Offenheit anraten?

Da gibt es eine berühmte Feministin, der ich das seit langem anraten würde. Gerade die Doppel-Unterdrückung von Lesbe und Frau ist meiner Meinung nach ein Phänomen, das noch viel zu privat gelebt wird, am wenigsten öffentlich ist. Das tut mir oft weh.

In den 90ern haben Sie regelrechte Outing-Offensiven im Fernsehen gefahren.

Das Outing war ein wichtiger Schritt im Angesicht der Aids-Krise. Und denen, die ich geoutet habe, hat es am Ende eher genützt als geschadet. Hape Kerkeling und Alfred Biolek haben letztlich gesagt, dass sie froh sind, dass sie nicht mehr im Schrank sitzen müssen. Gleichzeitig hat sich der Journalismus durch mein Outing verändert. Vorher hieß es: Gib einem prominenten Schwulen eine Freundin an die Hand, weil sich das besser verkauft. Durch die Aids-Geschichte wurde klar, wie tragisch das ist, wenn Schwule sich verstecken müssen.

Die Krankheit hat also auch etwas Gutes bewirkt?

Man hat ja befürchtet, dass Aids das Gegenteil bewirkt. Dass es reaktionärer wird. Extra Lager für Schwule, die bestimmte Berufe nicht mehr ausüben dürfen. Das Gegenteil trat ein. Die Gesellschaft hat wirklich gut reagiert.

Aber mit der Aids-Bewegung sind Sie hart ins Gericht gegangen.

Die Leute, die positiv waren, wurden betreut. Aber für die Prävention wurden zu wenige abgestellt, die das wirklich gut gemacht haben, bis heute. Ich habe viel zu dem Thema gemacht. Die Aids-Hilfen waren immer sehr zurückhaltend, wollten die Schrecklichkeit der Krankheit nicht in den Vordergrund stellen. Ich war darüber sehr wütend.

Sie lieben die Provokation, den Skandal. Aber womit kann man heute noch empören.

Sex ist das Reglementierteste überhaupt- es wird am meisten eingeschränkt von der Gesellschaft. Es gibt so wenig alternative Formen des Zusammenlebens. Das Ideal ist bis heute die Kleinfamilie, die zu zwei Dritteln scheitert.

Tom Tykwer hat mit „Drei“ einen Film gedreht, der die Trennung von Hetero- und Homosexualität aufhebt...

Wie Tykwer mit dem Thema umgeht, auf eine sehr dezente Art, das ist sehr schön, ein wunderbarer Versuch. Aber ich glaube, da gibt es immer noch viele Macho-Hetero-Männer, die sich über den Film aufregen. Das Patriarchat ist immer noch tonangebend.