Wuppertal..

„Tanzträume“ ist eine sensible und intensive Beschäftigung mit 40 Schülern zwischen 14 und 18, die sich auf ein Inserat hin gemeldet hatten - und von der Tanz-Ikone Pina Bausch lernen durften. Anne Linsel und Rainer Hoffmann erzählen in ihrer Dokumentation davon.

Das Ensemble hat Bammel, manche sogar Bauchschmerzen. Dabei sitzt ihnen gegenüber doch nur eine freundliche Frau, die ihre Zigarette zwischen den Fingern dreht und bei den Proben zuschaut: Pina Bausch. „Ihr seid ja am schönsten, wenn Ihr natürlich seid”, sagt sie auf diese leiseweise Art zu korrigieren, sanft, bestimmt.

Doch natürlich sein ist schwierig, lachen ist schwierig, laufen ist schwierig, streicheln ist schwierig, wenn man Zuschauer hat. Nach einigen Monaten Probe gibt es trotzdem rauschenden Applaus für die jungen Tänzer, die einen Klassiker des Wuppertaler Tanztheaters auf die Bühne bringen: „Kontakthof.” Anne Linsel und Rainer Hoffmann haben das Projekt mit der Kamera begleitet. Das Ergebnis, die Kinodokumentation „Tanzträume“, ist eine sensible und intensive Beschäftigung mit 40 Schülern zwischen 14 und 18, die sich auf ein Inserat hin gemeldet hatten. Es ist eine teils amüsante, aber auch anrührende Annäherung an tanzunerfahrene Jugendliche, die am Ende nicht nur Bewegungen trainiert haben, sondern Respekt, Zuverlässigkeit, Mut und Selbstwertgefühl.

Bewegendes Wiedersehen mit Pina Bausch

Vor allem aber ist es ein bewegendes Wiedersehen mit der im Sommer 2009 verstorbenen Tanz-Ikone, die die Rohfassung des Films noch hat sehen können. Sie wird berührt gewesen sein von der Bewunderung, die ihr allenthalben entgegenschlägt. „Echt voll nett die Frau“, lobt einer ihrer Eleven. Pina Bausch, das spürt man schnell in „Tanzträume”, ist auch für HipHopper eine Autorität. Selbst wenn sie bloß zu kurzen „Sichtungen“ vorbeikommt.

Natürlich geht es um die Frage der Erstbesetzung, aber vor allem geht es um persönliches Fortkommen. Das ist die Stärke des Films: dass ein bosnischer Roma-Junge über sein Frauen-Bild reflektiert und ein Mädchen den Schmerz des Jugoslawien-Krieges durchschimmern lässt, dass aber auch geträumt werden kann von einem Durchbruch wie im Tanzfilm „Billy Elliot“. Linsel und Hoffmann finden in 89 Minuten für all das Platz, für Tränen und Freude, für Scham und Scheu, für das Unbekannte, das dieses Beziehungsstück jungen Menschen abverlangt, die Zärtlichkeit bis zu diesem Erlebnis vor allem mit Mama und der Katze geteilt haben. „Meine Freundin berühr’ ich so nie!“

Man staunt, wie die beiden Bausch-Tänzerinnen Benedicte Billiet und Jo Ann Endicott diesen magischen Bausch-Blick am Ende in die noch ungezeichneten Gesichter gezaubert haben. Der „Kontakthof“ hat Raum gegeben für eine neue, spielerische Reife.