Essen. Die Verfilmung des Marvel-Comics “Ant-Man“ führt in die Welt des Klitzekleinen – ausnahmsweise wird einmal nicht in Zerstörungsorgien geschwelgt.

All jene, die Filme nach Marvel-Comics schon deshalb nicht mehr sehen wollen, weil die Destruktions-Orgien darin immer gigantischer und damit auch immer langweiliger ausfallen, können jetzt aufatmen. In der neuesten Kino-Kreation aus dem Superhelden-Universum hinterlässt der finale Showdown lediglich ein verwüstetes Kinderzimmer.

Und wo zuletzt bei „The Avengers – Age of Ultron“ eine komplette Stadt zum Einsturz gebracht wird, da entgleist nun lediglich eine Spielzeugeisenbahn. Doch ein Superheld im Miniaturformat, der sich „Ant-Man“ nennt, hat auch damit schon genug zu tun.

Geschrumpfte Menschen haben eine lange Hollywood-Tradition

Geschrumpfte Menschen, wie in diesem Fall der „Ant-Man“ in Gestalt des Schauspielers Paul Rudd, haben in Hollywood eine lange Tradition, fast könnte man schon von einem Subgenre sprechen. Man erinnere sich an die Mediziner, die sich in „Die phantastische Reise“ mit einem Mikro-U-Boot in die Blutbahn eines Patienten injizieren lassen.

Man denke an den verzweifelten Vater in „Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft“ oder an den ehemaligen Marineflieger, der sich in „Die Reise ins Ich“ durch Unachtsamkeit plötzlich im Körper eines hypochondrischen Supermarktkassierers wiederfindet. Und das ist nur eine kleine Auswahl. Bei Marvel aber geht es immer gleich um die ganze Welt und um die Herrschaft darüber, weshalb Scott Lang alias „Ant-Man“ hier alles daran setzen muss, damit die Verkleinerungsformel nicht in falsche Hände gerät.

Der Wissenschaftler Hank Pym (Michael Douglas) hatte diese Formel einst entwickelt und war mit Hilfe solch „subatomarer Pym-Partikel“ bereits als „Ant-Man“ tätig geworden. Nun aber nagt das Alter an ihm, weshalb er dringend einen Nachfolger sucht, denn sein ehemaliger Protegé Darren Cross (Corey Stoll) ist dem Verfahren seines einstigen Lehrmeisters bereits sehr nahe gekommen. Pyms Wahl fällt auf den Ex-Knacki Scott Lang, dessen höchstes Bestreben es ist, wieder in Kontakt zu seiner kleinen Tochter treten zu dürfen. Keine schlechte Entscheidung, wie sich bald schon zeigen wird.

Eigentlich sollte der Brite Edgar Wright bei „Ant-Man“ mit Drehbuch und Regie betraut werden. Was die Gründe dafür sind, dass nun der eher weniger bekannte Peyton Reed im Regie-Stuhl saß, darüber kann man nur spekulieren. Möglicherweise war da die Angst, dass einer wie Wright („Shaun of the Dead“, „The World’s End“) sich zu sehr vom Marvel-Umfeld entfernen würde. Vielleicht hatte man Bedenken, dass zu viel britischer Humor einfließen könnte.

Peyton Reed bleibt da in abgesteckten Grenzen, aber auch er weiß, dass man so etwas wie „die Verringerung der Abstände zwischen einzelnen Atomen“ zum Zwecke der Schrumpfung nicht mit heiligem Ernst verkaufen kann. Allein deshalb wurde wahrscheinlich auch Paul Rudd als Titelfigur engagiert, dessen filmisches Schaffen („Immer Ärger mit 40“) sich bisher zumeist im eher leichten Bereich abgespielt hat. Seine ersten Erfahrungen in „Ant-Man“-Größe bilden den Höhepunkt des Films, eine wahre Tour de Force durch die plötzlich gigantischen Ausmaße einer Badewanne, die Begegnung mit einer Riesenratte, der Überlebenskampf in einem dicken Teppich.

Der Bösewicht bleibt blass

So schön diese Passage auch ist, sie kann nicht über einen einfältigen Plot und einen blass bleibenden Bösewicht hinwegtäuschen. Dafür läuft ein Nebendarsteller wie Michael Pena als Scotts alter Einbrecherkumpel Luis zur Hochform auf. Wenn er redet, arbeitet sein Mund wie ein Motor, der immer mehr in Fahrt gerät. Gleichzeitig sieht der Zuschauer, wovon er erzählt und wird mit Figuren konfrontiert, die das Stakkato lippensynchron übernehmen. Schwer zu beschreiben, aber ein wunderbarer Kniff.

Wertung: vier von fünf Sternen