Essen.. In “Brick Mansions“ ist der 2013 tödlich verunglückte Paul Walker in seiner letzten Kinorolle zu sehen. Hier spielt er den Polizisten Damien Collier, der in ein Ghetto eingeschleust wird. Er soll für Ordnung sorgen. Doch das Viertel wird von den Verantwortlichen der Stadt sich selbst überlassen.
Paul Walkers tragischer Unfalltod im vergangenen November taucht "Brick Mansions", seinen letzten vollendeten Film, in ein anderes Licht. Unter normalen Umständen wäre das von Luc Besson produzierte und auch mitgeschriebene Spielfilmdebüt des früheren Cutters Camille Delamarre wahrscheinlich ein Nebenwerk in seinem Schaffen geblieben. Doch so ist das nach Detroit verlegte Remake von Pierre Morels "Ghettogangz – Die Hölle vor Paris" zu Walkers Vermächtnis geworden.
Wie in Rob Cohens "The Fast and the Furious", der ihn mit einem Schlag berühmt gemacht hat, spielt Paul Walker erneut einen Undercover-Polizisten. Als Damien Collier wird er in ein von einer Mauer umgebenes Ghetto eingeschleust, das einst ein vitaler Teil von Detroit war. Doch irgendwann haben die Verantwortlichen der Stadt beschlossen, dieses immer stärker von Armut, Arbeitslosigkeit, Drogen und Gewalt geprägte Viertel einfach sich selbst zu überlassen.
Privatkrieg gegen Ghettochef
Nun, im Jahr 2018, wird das Ghetto ganz von dem ehemaligen Elite-Soldaten Tremaine Alexander (RZA) und seinen Leuten kontrolliert. Als eine Nuklearwaffe in deren Hände fällt, soll Collier sie entschärfen. Sein einziger Verbündeter ist der Polizistenmörder Lino (David Belle), mit dem er zusammen während eines fingierten Gefängnistransports flieht. Lino, ein Meister in der Extremsportart "Parkour", führt schon lange einen privaten Krieg gegen den mächtigen Drogen- und Waffenhändler und hat seine eigenen Gründe, ins Ghetto zurückzukehren. Seine Freundin Lola (Catalina Denis) befindet sich in Alexanders Gewalt.
An die aufregende Komplexität und emotionale Tiefe von Paul Walkers Rollen in Wayne Kramers Thriller "Running Scared" und John Stockwells leider immer noch unterschätztem Abenteuerfilm "Into the Blue" reicht Damien Collier nicht heran. Die Figur des getriebenen Einzelgängers und Polizistensohns, dessen Vater einst beim letzten Großeinsatz der Polizei im Ghetto von Detroit ermordet wurde, ist im Prinzip ein Archetypus des B-Movies. Aber Walker gibt ihr trotzdem etwas Eigenes.
Walker erinnerte seit seinem Durchbruch 2001 mehr als alle anderen jungen Action-Stars des US-Kinos der vergangenen 15 Jahre an die Western-Stars der 1940er- und 50er- Jahre, an Glenn Ford und Randolph Scott. Wie sie strahlte auch Walker in all seinen Filmen eine im heutigen Genrekino eher selten gewordene Natürlichkeit aus. Er war, anders als Vin Diesel oder Jason Statham, ein Held von nebenan. Seine Figuren wirken immer vertraut. Man kennt ihre Sehnsüchte und Träume, ihre Konflikte und düsteren Seiten und fühlt sich ihnen umgehend verbunden, so auch in "Brick Mansions".
Cop am Rande des Abgrunds
Damien Collier, der den Mörder seines Vaters zur Strecke bringen will, balanciert stets auf dem schmalen Grat zwischen Aufrichtigkeit und Besessenheit. Walker lässt dabei zugleich die Stärken wie die Abgründe dieses Mannes durchscheinen. Es ist fast so, als ob diesen Cop am Rande des Abgrunds ein innerer moralischer Kompass im letzten Moment das Gleichgewicht halten lässt. Und genau dieses Gespür, das so viele von Walkers Figuren auszeichnet, ist es, das den französischen "Parkour"-Star David Belle zu einem idealen Partner für ihn macht.
Im Prinzip umgibt den französischen Schauspieler und Extremsportler eine ähnliche Aura wie Walker. Lino ist wie Collier durch und durch integer. Für den Mord an dem Polizisten gab es einen Grund, der im Rahmen von Linos moralischem Kodex diese extreme Tat rechtfertigt. Zusammen erden diese wortkargen Helden Delamarres ansonsten extrem (selbst)ironisches Genrespektakel. Mit ihrem gradlinigen, von klassischen Western-Traditionen geprägten Auftreten erinnern sie zudem an die rebellischen (Anti-)Helden aus den Filmen George Romeros und John Carpenters. Wie Carpenters und Kurt Russells "Klapperschlange" Snake Plissken stehen sie für den anarchistischen Geist des Action-Kinos, der diesem Genre schon in den 1970er- und 80er-Jahren einen zusätzlichen Reiz verliehen hat und der seither immer mal wieder aufblitzt.
Wertung: vier von fünf Sternen