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Er gilt als Oscar-Favorit: Haufenweise Preise hat „The King’s Speech“ mit Colin Firth und Geoffrey Rush schon eingeheimst. Jetzt kommt kommt Tom Hoopers Film über die Sprachschwäche von König George VI. ins Kino.
Ein Königreich für einen Oscar! Wenn man den Buchmachern glauben darf, dann wird Colin Firth Ende des Monats jene Trophäe in den Händen halten, die er nach Meinung vieler schon 2010 hätte bekommen sollen und damals vielleicht sogar noch etwas verdienter – für seine Rolle als sterbensverliebter Hochschulprofessor in Tom Fords „A Single Man“.
Aber die Academy mag Figuren mit Handicap. Und Königsdramen (Helen Mirren als „Queen“) sind für die Vergoldung der Filmkarriere praktisch so sicher wie die Bank von England. Vermutlich werden sogar schon Wetten darauf angenommen, ob Firth einen kleinen Stotterer in seine Dankesrede einbauen wird. Denn der 50-Jährige spielt in „The King’s Speech“ den sprachbehinderten Prinzen Albert Frederick Arthur George von York, dem bei der Rede an das Volk regelmäßig die Stimme versagt.
The King's SpeechZwölf Oscar-Nominierungen – ohne Pomp und Pathos
Zwölf Oscar-Nominierungen hat der Film eingeheimst. Dabei ist „The King’s Speech“ alles andere als große aristokratische Ausstattungs-Oper, die mit Pomp und Pathos die Leinwand füllt. Tom Hoopers Film verhehlt im Gegenteil in keinem Moment, dass in dieser Produktion vor allem Geld für hohe Schauspielkunst statt für Kulissen ausgegeben wurde. Herausgekommen ist ein Kammerspiel über die Macht der Worte, die gelegentlich auch zur sprachlosen Ohnmacht der Mächtigen wird.
Anfangs ist es sogar ein Kellerdrama, das tief hinunter führt in die Niederungen der bürgerlichen Heilkunst. In die etwas abgeschabte Logopädie-Praxis des australischen Therapeuten Lionel Logue (Geoffrey Rush), der mit unorthodoxen Methoden und ohne falsche Untertänigkeit den Leiden des verstockten „Bertie“ zu Leibe rückt.
Schwere Niederlage im Wembley-Satdion
Der jüngere Sohn von George V. hat bei einer hoffnungslos verstotterten Rede im Wembley-Stadion gerade eine seiner schwersten Niederlagen eingefahren. Als sein autoritärer Vater König George V. stirbt, scheint es keine Frage, dass sein smarter älterer Bruder Edward (Guy Pearce) den Thron übernimmt. Aber da gibt es eine bürgerliche Amerikanerin namens Wallis Simpson, für die Edward Herz gegen Krone eintauscht. Die amouröse Geschichte des berühmten Skandalpaars erzählt Madonna gerade in dem Film „W.E“.
Dass Hooper auf den weitaus unpopulärerer Stoff gegangen ist, macht den Film zur Entdeckung und zeigt, dass die britische Monarchie noch manches filmreife Kapitel bereit hält. Nun versteht sich „The King’s Speech“ dabei nicht unbedingt als Historiendrama, sondern erzählt vielmehr die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft. Etwas traditionell und konventionell, wie man es am britischen Königshof eben so hält, aber mit wunderbar aufgelegten Schauspielern.
Colin Firth ist herrlich souverän in seiner Unsicherheit
Helena Bonham-Carter zeigt sich als Prinzen-Gattin und spätere Queen Mum mal nicht als Exzentrikerin vom Dienst, sondern von erlesener Fürsorglichkeit. Vor allem aber überzeugt der in seiner Unsicherheit herrlich souveräne Colin Firth als hüftsteifer und angstbesetzter Thronfolger, der für die Kunst der freien Rede so hart trainiert wie Muhammad Ali für einen WM-Kampf. Mit Rush als gewitztem Sparringspartner, der deutlich macht, dass Monarchie und Schauspielkunst gar nicht so weit voneinander entfernt sind. Berties erste große Feuerprobe ist jedoch alles andere als ein Vergnügen: Die Ansprache zum Kriegseintritt der Briten gegen Hitlerdeutschland.
Ob „The King’s Speech“ am Ende all die in Aussicht gestellten Oscars einsammeln wird? Es mag wichtigere, spektakulärere, weiterführende Filme in dieser Oscarsaison gegeben haben. Aber es gibt derzeit gewiss nur einen Colin Firth.