Essen. In der Komödie „Tammy - Voll abgefahren“ schlüpft Melissa McCarthy in die Rolle einer übergewichtigen Mitarbeiterin einer Burger-Bude, die aus dem Trott der Vorstadt ausbrechen will. Mit ihrer Großmutter Pearl (Susan Sarandon) macht sie sich zu den Niagara-Fällen auf.
Melissa McCarthy passt einfach nicht ins Bild des typischen weiblichen Hollywood-Stars. Sie sprengt es vielmehr, und das nicht nur mit ihrer Körperfülle, die so gar nicht den gängigen Schönheitsidealen entspricht. Auch ihr extrem direktes Auftreten, das keinerlei Scham zu kennen scheint, kennt man eher von klassischen Nebenfiguren, von denen sich die Heldin dann umso besser absetzen kann. So war es letztlich auch in Paul Feigs „Brautalarm“. Nur hat sie damit allen anderen Darstellerinnen derart die Show gestohlen, dass sie selbst zum Star wurde.
Seither muss Melissa McCarthy nicht mehr die ‚dicke Freundin’ spielen, sondern steht wie nun in „Tammy“, dem Regiedebüt des Schauspielers Ben Falcone, mitten im Zentrum des Geschehens. Alles in dieser Komödie um eine junge Frau, die zusammen mit ihrer alkoholkranken Großmutter, der von Susan Sarandon gespielten Pearl, aus dem endlosen Trott der amerikanischen Vorstädte ausbricht, ist ganz auf sie zugeschnitten.
Mischung aus Dreistigkeit und Absurdität
Das beginnt schon gleich mit der Szene, in der Tammy ihren Job in einem schäbigen Fast-Food-Laden verliert. Mit der für McCarthy typischen Mischung aus Dreistigkeit und Absurdität versucht die junge Frau, es ihrem Boss heimzuzahlen. Nur haben all ihre verbalen Ausfälle und ihre physischen Attacken fast schon etwas rührend Hilfloses. Hier will sich jemand behaupten und macht dabei nur noch alles schlimmer.
Später wird sie dann in ihrer Verzweiflung, sie braucht unbedingt 1600 Dollar, um die Kaution für Pearl zu stellen, eine andere Filiale dieser Fast-Food-Kette überfallen. Einen derart abstrusen Überfall, bei dem Melissa McCarthy eigentlich alles falsch macht, hat man bisher noch nicht gesehen.
Das Amerika der immer weiter abrutschenden weißen Mittelschicht ist eine völlig verquere Welt. Das Leben in den Vorstädten, das einmal die Verwirklichung eines Traums sein sollte, hat sich längst in einen nicht enden wollenden Alptraum aus kaputten Ehen, zerplatzten Sehnsüchten, spießigen Moralvorstellungen und stetem Machtmissbrauch verwandelt. Das ahnen Tammy und Pearl. Also rebellieren sie.
Das Image der ewig Unangepassten
Nur haben Pearls Alkoholexzesse und Tammys Verweigerungshaltung nichts Befreiendes. Die beiden zerstören sich nur selbst. Es gibt kein Entkommen aus dem Alptraum. Aber Melissa McCarthy und ihr Regisseur und Co-Autor Ben Falcone begnügen sich nicht mit diesem düsteren Befund, der ihrer Komödie neben einer bitterbösen auch noch eine subversive Note verliehen hätte. Sie suchen vielmehr einen Ausweg in den Klischees der Traumfabrik.
Also muss die radikale Außenseiterin Tammy in einer Nebenhandlung zur romantischen Heldin werden. Das Entsetzen angesichts der Verhältnisse wird mit einer kitschigen Liebesgeschichte, die sie und den schüchternen Farmer Bobby (Mark Duplass) zusammenbringt, übertüncht. Nur passt diese Wendung überhaupt nicht zu Melissa McCarthy und ihrem Image als ewig Unangepasste. So domestiziert Falcone seinen Star und nimmt ihr damit auch noch ihren anarchischen Witz.
Wertung: 3 von 5 Sternen