Essen. Wange an Wange mit Monstern und Aliens - Zum Start von „Ice Age 3” wird wieder einmal der Start in die dritte Kinodimension ausgerufen. Ein Ausflug in die lange Vorgeschichte einer teuren technik, die sich nicht jedes Lichtspielhaus leisten kann.

Wenn die Aussichten düster sind, setzt man gerne mal die rosa Brille auf. Oder die rot-grüne. Zwei verschiedene Farben fürs dreidimensionale Erlebnis. 3D, so ist zu hören, ist die Zukunft des Kinos. Angesichts der langen Vergangenheit klingt die Botschaft aber nicht ganz neu.

Der erste deutsche 3D-Farbfilm gab bereits 1937 das Motto vor: „Zum Greifen nah”. Doch der Durchbruch blieb aus. Diesmal aber sollen sich nicht nur die Filmpiraten umgucken, die im dreidimensionalen Zeitalter mit ihren Minikameras mächtig Schiffbruch erleiden könnten. Kino soll wieder ein Ort werden, der das Sehen zum Erlebnis macht.

Liebe des Publikums für große Brillen




Die Filme für den Start in die dritte Kinodimension sind längst abgedreht. Im September kommt Disneys Zeichentrickfilm „Oben” („Up”) in die Kinos. Für den Dezember hat sich James Camerons „Titanic”-Nachfolger „Avatar” angekündigt. Was für den 3D-Durchbruch jetzt noch fehlt, sind die digitalen Leinwände. Doch nicht mal 70 der bundesweit über 1800 Spielstätten sollen derzeit über einen so genannten „steroskopischen” Saal verfügen, der das räumliche Seherlebnis erst möglich macht.

Wer die Technik schon hat, wird in der nächsten Woche die Liebe des Publikums für große Brillen testen, wenn der dritte Teil des CGI-Renners „Ice Age” in die Kinos kommt. „Noch cooler in 3D” wirbt beispielsweise das Düsseldorfer „Atelier”. Die Essener Lichtburg hat 2000 so genannte Shutterbrillen geordert. Verschiedene Impulsgeber sorgen im Saal dafür, dass auch der Zuschauer in der hintersten Reihe noch den Eindruck hat, die Stoßzähne von Mammut Manfred könnten ihn gleich am Kinn kitzeln.

Staunen und Stieren bis zur Übelkeit

Blick durch die rot-grüne Brille. (c) imago
Blick durch die rot-grüne Brille. (c) imago © Unbekannt | Unbekannt





Nach der Eiszeit wird die Technik erst mal wieder abgebaut. Was nicht allein am noch übersichtlichen 3D-Filmangebot gilt, sondern auch an der Frage, wann der technische Einsatz überhaupt Sinn macht. Animations- und Actionabenteuer gelten als perfektes Format. Bei Kinder- und Jugendfilmen stellt sich die Frage schon anders. Wie reagieren Fünfjährige auf dieses überwältigende „Mittendrin-Gefühl”, plötzlich Wange an Wange mit den Monstern und Aliens? „Die Effekte sind hochwertig, aber es wird Jahrmarkt bleiben”, glaubt Bernhard Wilmer von den Essener Filmkunsttheatern.

Räumliche und inhaltliche Tiefe sind halt nicht zwingend vereinbar. Lange galt beim 3D-Film deshalb das Motto: Hauptsache, irgendwas ragt aus der Leinwand hervor. Ein Messer bei Alfred Hitchock („Bei Anruf Mord”) oder der Busen von Klimbim-Nudel Ingrid Steeger („Liebe in drei Dimensionen”). Der geneigte Zuschauer stierte und staunte, bis ihm manchmal übel wurde. Was wohl nicht nur daran lag, dass vornehmlich blutige Horrorstreifen („Das Kabinett des Professor Bondi”) in 3D-Technik umgesetzt wurden. Die zweifarbigen Brillen erzeugten bei manchen Zuschauern Übelkeit und Kopfschmerzen. Dazu waren sie noch optisch eine Zumutung. 3D-Vorstellungen erinnerten in den 70ern an eine Jahreshauptversammlung der Colani-Jünger: mit den extravaganten Pappbrillen auf der Nase aber nicht ganz so ernst zu nehmen.

Schwarz statt rosa




Nach den ganzen Provokatiönchen ruft einer nun die 3D-Revolution aus: Der amerikanische Produzent Jeffrey Katzenberg („Up”) formuliert damit die Hoffnung einer ganzen Branche, die nach der Erfindung von Ton- und Farbfilm endlich wieder etwas Einmaliges, Unvergleichliches zu bieten haben will. Einer Studie zufolge sind vor allem Jugendliche und junge Erwachsene an der Technik interessiert – und angeblich auch bereit, höhere Preise zu zahlen. Drei Euro Aufschlag sind es in Essen.

Für die Kinos wird das neue digitale Zeitalter ohnehin teuer kommen. 50.000 Euro kostet die Anschaffung eines digitalen Projektors. Soll die Technik wie geplant bundesweit in großen Mulitplexen wie kleinen Provinzkinos zum Einsatz kommen, werden mehrere hundert Millionen fällig. Über die Aufteilung der Kosten streiten Kinos, Verleiher und Staat seit Monaten. Nicht nur der Krise wegen wird man für die dreidimensionale Zukunft wohl noch eine Weile zweifarbig sehen – schwarz statt rosa.