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Der müde Blick unter den schweren Augenlidern ist vielleicht sein bestes Täuschungsmanöver. Denn Al Pacino ist hellwach und mit einer Raubtierhaftigkeit ausgestattet, die sein Gegenüber fürchten muss. An diesem Sonntag wird Pacino 70. Er ist einer der herausragenden Schauspieler seiner Generation.

Der müde Blick unter den schweren Augenlidern ist vielleicht sein bestes Täuschungsmanöver geblieben. Der schleppende Gang, das langsame Nicken. Denn Al Pacino ist wach, hellwach, stets auf dem Sprung und mit einer Raubtierhaftigkeit ausgestattet, die sein Gegenüber fürchten muss. 70 wird der Mann am Sonntag, der zu den herausragenden Schauspielern seiner Generation gehört. Und der sich dem Kinopublikum als Gangster auf Lebenszeit eingebrannt hat, obwohl er so viel mehr drauf hat: als Mafioso Michael Corleone in Francis Coppolas Meisterwerk „Der Pate” oder als kubanischer Verbrecherprolet im Größenwahn in Brian de Palmas blutig-barocker Killeroper „Scarface”. Macho Tony Montana wird Kult, sein Kopf ziert hunderttausend T-Shirts.

Klein wie die Großen

Al Pacino mit seiner Freundin Lucila Polak Sola.
Al Pacino mit seiner Freundin Lucila Polak Sola. © AP | AP





Drei Kinder, nie verheiratet, die argentinische Freundin ist Schauspielerin, ist 31. Er sieht gut aus, unverschämt gut. 70? Respekt. Volles, dunkles Haar, immer einen Tick zu lang, silberne Strählen, Fünftagebart. Er trägt gern Sonnenbrille und Lederjacke. Die obersten drei bis vier Knöpfe am Hemd bleiben offen. Cool buchstabiert sich a, l, p, a, c, i, n, o. Er ist klein wie die anderen Großen. Hoffman, De Niro, Nicholson. Er macht keinen Hehl daraus, duldet vor der Kamera keine Tricks, die ihn größer als 1,66 Meter erscheinen ließen.

Trotzdem füllt so einer die ganze Leinwand, wenn er will. Er verströmt Eiseskälte oder ist erfüllt von gewaltgetränkter Leidenschaft. Gibt den teuflischen Verführer mit dem unverschämtesten Lächeln oder den ewig Getriebenen. Egal wie kompromisslos sein Einsatz beim Erarbeiten seiner Rollen ist, mit jeder Bewegung bleibt er doch stets Al Pacino – ein Merkmal, das ihn von dem Kollegen und Freund unterscheidet, der sich mit ihm auf Augenhöhe trifft: Robert De Niro verschmilzt bis zur Unkenntlichkeit mit den Figuren, die er mimt.

Pacino ist New Yorker, sein Vater Sizilianer, seine Herkunft fließt in seine Rollen, der Akzent in der kehligen Stimme ist unüberhörbar. Mit 17 fliegt Al Pacino von der Schule, arbeitet als Platzanweiser an kleineren Theatern. Er wird Schauspieler, macht den Abschluss am legendären Lee Strasberg Theatre and Film Institute, das auch Dean und Brando zu Giganten machte.

Nervöser Dealer

AAl Pacino feiert am Sonntag seinen 70. Geburtstag.
AAl Pacino feiert am Sonntag seinen 70. Geburtstag. © AP | AP





Coppola entdeckt ihn 1971 in einem Drogenkrimi namens „Panik im Needle Park”. Pacino spielt einen kleinen, nervösen Dealer, dessen zerstörte Psyche immer wieder durchscheint. Kleiner Film, große Wirkung: Der junge Schauspieler bekommt eine Hauptrolle in „Der Pate”, und sein Agent nimmt den Mund gleich voll: „Die Leute werden ins Kino gehen, um Brando zu sehen, und beim Herauskommen über Al Pacino sprechen“, prophezeit er.

Pacino zeigt darstellerische Glanzstücke, steigt mit Filmen wie „Serpico” und „Hundstage” zu den prägenden Akteuren des kritischen „New Hollywood“-Kinos der Siebziger auf. Eine Klasse, die er erst in den Neunzigern wieder erreicht. Da liefert er sich im besten Krimi des Jahrzehnts, Michael Manns „Heat”, ein furioses Duell mit De Niro. Und mit Michelle Pfeiffer dreht er den zauberhaften Liebesfilm „Frankie und Johnny“.

Später erlebt man ihn in „Donnie Brasco”, untypisch, als kleine Nummer im Mafiatross, einer, der übersehen wird. Den Gangsterspielregeln folgend wird er am Schluss praktisch zur eigenen Hinrichtung befohlen, weil er einem Polizisten auf den Leim gegangen ist. Wie er, den Tod vor Augen, in der Wohnung seine goldene Uhr auszieht und in eine Schublade legt, die Jacke langsam überstreift, den Hut aufsetzt und seiner nichts ahnenden Frau einen Abschiedskuss gibt, das gehört zu den großen kleinen Momenten in seinem Spiel. Wie bei Paul Newman war der Oscar ewig lange blind für ihn. Achtmal wurde Pacino nominiert, und dass er die Trophäe letztlich für den eher biederen Streifen „Der Duft der Frauen” bekam, war wohl eher dem schlechten Gewissen der Academy geschuldet.

Rückzug ins Theater

In den 80ern zog er sich ins Theater zurück, dem er sich stets verpflichtet gefühlt hat. Dort erlebt man ihn immer noch, und zu welchen Taten er auf der Bühne fähig ist, kann man in der Verfilmung von „Der Kaufmann von Venedig” zumindest erahnen.

Vom Ruhm verwöhnt musste er sich in den letzten Jahren von der Kritik indes arg rupfen lassen. Mit Recht: Er drehte -- wie De Niro -- eine Reihe lausiger Filme, die seine Teilnahme nie und nimmer verdient gehabt hätten. So kratzt man selbst am Image. Für weitere große Taten bleibt allerdings noch Zeit. Gesucht: ein gutes Drehbuch, ein großer Regisseur. Al Pacino ist schließlich auf dem Sprung. Immer noch.