Essen. Kino liebt die Legendenbildung: gute Reporter haben keine Freunde, sie haben Quellen. Um ein Kräftemessen zwischen Polikern und Journalisten geht es in dem Kinothriller "State of Play" von Regiesseur Kevin Macdonald mit den Superstars Russel Crowe, Ben Affleck und Helen Mirren.
State of Play
Deutscher Kinostart: 18.06.2009
Regie: Kevin MacDonald
Darsteller: Helen Mirren, Ben Affleck, Russell Crowe, Jason Bateman, Rachel McAdams u.a.
Die Amerikaner schrecken vor nichts zurück. Nicht mal davor, sich eine sechsteilige britische Miniserie wie „Mord auf Seite 1" vorzunehmen, sie auf Washingtoner Verhältnisse umzubauen und die ganze Geschichte in einem Drittel der Zeit zu erzählen. Dass sie es schaffen und damit glänzend durchkommen, verdanken sie allerdings einem Schotten. Kevin Macdonald sorgt dafür, dass in „State of Play" nicht das Blaue vom Sunshine-Himmel Hollywoods herunter gelogen wird, sondern dass alles hübsch bodenverhaftet bleibt.
Zuerst wird ein Mann mit verdächtiger Aktentasche in einer düsteren Seitenstraße erschossen, danach gleich auch noch ein Pizzabote, der nur zufällig die falsche Strecke fuhr und Zeuge der Bluttat wurde. Zwei Alltagsmorde für die Polizei, bis kurz darauf auch noch die Referentin des politischen Hoffnungsträgers Stephen Collins (Ben Affleck) vorsätzlich vor einen Zug gestoßen wird. Collins hatte nicht nur ein Verhältnis mit der Toten, er agitiert vor allem heftig gegen die Absicht der Regierung, an Krisenherden künftig auch die gut ausgebildeten Söldner der Firma Point Corp. einzusetzen.
Realismus und Spannung
Als man bei einem der Opfer Hinweise auf Point Corp. findet, nimmt der Reporter Cal McAffrey (Russell Crowe) Witterung auf. Collins ist ein alter Freund von ihm, obwohl die beiden vom Äußeren her eher klassische Gegensätze sind: Crowe gibt den übergewichtigen, zotteligen Recherche-Bären mit ungewaschenem Haar, der in seiner Großraum-Schreibhöhle zu wohnen scheint; Affleck wirkt ungemein glaubhaft als stets frisch gebügelter Politiker mit steinernem Gesicht und fein kanalisierten emotionalen Schüben.
Macdonald wurde international berühmt durch sein Idi-Amin-Drama „Der letzte König von Schottland", kommt ursprünglich aber vom Dokumentarfilm. Kein Wunder, wenn es ihn da gereizt hat, einen Film über das große amerikanische Komplott zu drehen. Zumal Point Corp. ja keine Fiktion, sondern nur ein anderer Name für das im Irak tätige Sicherheits- und Militärunternehmen Blackwater ist, das sich bester Beziehungen zu höchsten politischen Kreisen rühmen darf. Macdonald schafft den Spagat zwischen Realismus und Spannung relativ mühelos, ebenso wie die Verbindung zwielichtiger Politik mit der privaten Ebene der handelnden Personen.
Lieber heute ein gutes Gerücht
„State of Play" besteht jedoch nicht nur aus Toten und finsteren Winkelzügen, der Film erzählt auch viel über die gegenwärtige Situation von Print- und Online-Journalismus. So wird der eingefleischte Print-Mann Cal von seiner Chefredakteurin (Helen Mirren) gedrängt, bei der Recherche mit einer jungen Bloggerin zusammenzuarbeiten, der er erst einmal abgewöhnen muss, mit jedem Getratsche gleich ins Netz zu gehen. So einer wie Cal will gründlich arbeiten, bis er alles lückenlos beisammen hat und riskiert dafür auch Andruckverschiebungen.
Es ist ein scharfer Wind, der da im amerikanischen Zeitungswesen bläst, sehr viel schärfer schon als bei uns. Helen Mirren macht das durch ihr Spiel überaus deutlich: Sie will die Sorgfalt im Grunde auch, die neuen Eigentümer des „Washington Globe" jedoch sitzen ihr im Nacken. Motto: Lieber heute die Gerüchte, als morgen den Pulitzer-Preis. Jede Stunde An-druckverschiebung kostet hier angeblich 20 000 Dollar.
Als alles aufgedeckt ist, gibt Cal seiner Mitarbeiterin endlich grünes Licht für Online. Ihre Antwort ist wunderbar: „Bei so einer Story", seufzt die Bloggerin, „sollten die Menschen Druckerschwärze an den Fingern haben." Das Kino liebt die Legendenbildung.