Brüssel. .
Eine digitale Offensive soll EU-Bürger beglücken. So jedenfalls stellt sich EU-Kommissarin Neelie Kroes das vor. 100 Einzelmaßnahmen und 31 Gesetze sollen’s richten.
Es geht um Wachstum, Jobs und „das Wohlbefinden unserer Bürger“, sagt Neelie Kroes, in der Brüsseler EU-Kommission zuständig für die sogenannte digitale Agenda. Das ist ein umfassendes Programm, mit dem Kroes den knapp Millionen EU-Bürgern die schöne, neue Digital-Welt erschließen möchte. Die Hälfte nutzt das Internet- täglich, aber fast ein Drittel, sagt Kroes, sind „digitale Jungfrauen“. Das will sie mit rund hundert Einzelmaßnahmen und 31 neuen EU-Gesetzen in den kommenden Jahren ändern. „Jeder soll die Chance haben, die digitale Wunderwelt zu entdecken.“
Die Digitale Agenda ist ein Schlüssel-Programm im Rahmen der Wachstumsstrategie „2020“, mit der die EU im kommenden Jahrzehnt ihre internationale Konkurrenzfähigkeit sichern will. Hier die wichtigsten Nutznießer-Gruppen des Kroes-Fahrplans:
Verbraucher
E-Shopping erspart dem Kunden mühsame Wege und die Schlange an der Kasse. Aber bei 60 Prozent aller Onlinekäufe im EU-Ausland gibt es Ärger mit der Kreditkarte. Die Bestellung bei US-Firmen ist hingegen weitgehend problemlos. Da gibt es solche Probleme nicht. Für Abhilfe soll die Schaffung eines „digitalen europäischen Binnenmarktes“ sorgen, mit klaren Regeln fürs elektronische Zahlungs- und Rechnungswesen. „Die Bürger sollen Dienstleistungen grenzüberschreitend wahrnehmen können“, so Kroes. Und schneller soll es gehen: Bis zum Jahr 2020 sollen alle Haushalte Hochgeschwindigkeits-Zugang zum Internet haben. Außerdem will Brüssel für mehr Sicherheit sorgen. Ab 2015 soll Mobilfunk im EU-Ausland nicht mehr teurer sein als zuhause.
Arbeitnehmer
150 Millionen Europäer haben noch nie in ihrem Leben im Internet gesurft. Das ehrgeizige Programm sieht vor, die „digitale Kluft“ zu schließen und die Fähigkeiten aller zu verbessern. Unabhängig von Alter, Herkunft oder Jobsituation soll jeder, der will, in die Lage versetzt werden, das Internet zu nutzen. Den Jungen soll das Netz vor allem bei der Jobsuche helfen. Hier kann die EU mangels eigener Zuständigkeit allerdings die Mitgliedstaaten nur ermuntern, bei der Aus- und Fortbildung sowie Arbeitsvermittlung verstärkt die neue Technologie einzusetzen.
Kranke
Für die Telemedizin – Diagnose und Behandlung über das Netz – sieht die Kommission enorme Entwicklungsmöglichkeiten, die Ärzten und Patienten das Leben erleichtern. Die Fernüberwachung könne beispielsweise die Überlebensraten von Herzkranken um 15 Prozent steigern und die Klinikkosten um 26 Prozent drücken. Bis zum Jahr 2015 soll jeder Patient jederzeit Zugang zu seiner Online-Krankenakte haben, gleich wo in der EU er sich gerade aufhält, um Arztbesuche im EU-Ausland zu erleichtern.
Künstler
In den USA wird viermal so viel Musik legal heruntergeladen wie in der EU. Der Grund: Die Urheberrechte für einen Download sind von EU-Land zu EU-Land verschieden. Wer Musik-Dateien in der gesamten EU anbieten will, muss sich also für sämtliche 27 Mitgliedstaaten das Copyright besorgen. Kuriose Folge Illegale Inhalte können in Europa viel leichter heruntergeladen werden als legale. Künstlern entgeht so ein beträchtlicher Teil ihres Lohns. Im digitalen Binnenmarkt sollen Lizenzen für ganze Europa gelten.
Eltern und Kinder
66 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen 16 und 24 Jahren nützen das Internet täglich - 43 Prozent sind es im EU-Schnitt aller altersklassen. Die Jugend ist im World Wide Web zu Hause. Seinen Gefahren ist sie dennoch in besonderer Weise ausgesetzt. Betreiber sozialer Netzwerke, die verstärkt von Jugendlichen genutzt werden, sollen daher bis 2013 zu selbstregulierenden Maßnahmen zur digitalen Sicherheit verpflichtet werden. Der Kampf gegen Kinderpornographie auf internationaler Ebene wird verstärkt.
Alte
Die ältere Generation jenseits der 65 tut sich schwer in der digitalen Wunderwelt. Auch Menschen mit körperlicher Behinderung haben oft keinen Zugang zum World Wide Web. Dabei wissen diese Menschen oft gar nicht, wie sehr das Internet ihre Lebensqualität verbessern könnte: So will Kroes bis 2015 mithilfe digitaler Technologie die Zahl von Senioren verdoppeln, die ohne Betreuung auskommen.