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Oscar-Anwärter Jeff Bridges kommt in diesen Tagen gleich zweimal ins Kino. In „Männer, die auf Ziegen starren“ entdeckt er den „Dude“ aus dem Kult-Film „The Big Lebowski” neu. „Crazy Heart“ beschreibt das Dasein des abgehalfterten Country-Sängers Bad Blake.
Jeff Bridges war immer schon ein verlässlicher Schauspieler, seit er 1971 in Peter Bogdanovichs „The Last Picture Show” seine erste wichtige Rolle verkörperte. Als wirklichen Star aber hatte man ihn nie so recht empfunden, trotz seiner diversen Oscar-Nominierungen als Nebendarsteller. Zu ruhig sein Privatleben, das er seit 1977 bis heute mit der gleichen Frau verbringt, zu groß seine Bereitschaft, sich in Ensembles einzuordnen. Geändert hat sich das grundlegend, als ihm 1998 in „The Big Lebowski” von den Brüdern Coen in Gestalt des „Dude” die definitive Verkörperung des von der Zeit überholten Späthippies gelang. Unnachahmlich, wie Bridges da im Sessel ruhend und am „White Russian” nippend den Walgesängen auf CD lauscht.
Nun hat der lange Zeit sträflich unterschätzte Schauspieler diesen „Dude” noch einmal entdeckt: In Grant Heslovs Debütfilm Männer, die auf Ziegen starren ist er Bill Django, ein mit Wikingerzöpfen gesegneter Zeitgenosse, der im Vietnamkrieg die Sanftmut entdeckt und sie danach in kalifornischen Kommunen ausgelebt hat. Ausgerechnet ihn verpflichtet das US-Militär Anfang der 1980-er Jahre, um mental begabte Soldaten aufzuspüren, sie als „Jedi-Krieger” zu trainieren und die „New Earth Army” zu formen.
Was sich wie eine Satire anhört, beruht trotz allem auf Tatsachen, die der britische Journalist Jon Ronson 2004 in einem Buch veröffentlichte. Man suchte paranormal begabte Uniformierte, die per Willenskraft Gedanken lesen, durch Wände gehen oder Lebewesen durch bloßes Anstarren töten konnten. Natürlich hat Heslov die absurden Seiten dieses Unterfangens in seinem grandios besetzten Film betont. Co-Produzent George Clooney spielt als Cassady den fähigsten Probanden, der bei seiner ersten toten Ziege allerdings einen Schock bekommt. Ewan McGregor recherchiert beim Militär als ungläubiger Kleinstadtreporter, Kevin Spacey gibt den Spielverderber vom Dienst. Ein Film, der wichtige Fragen stellt: Was nützt es, Wolken per Anstarren zu vertreiben, wenn man dabei mit dem Auto gegen den einzigen Stein in der Wüste prallt?
Oscar-Nominierung diesmal aussichtsreich
Ist Bridges auch hier wieder Teil eines Ensembles, in Crazy Heart ist er das singuläre Ereignis schlechthin, weshalb die Oscar-Nominierung diesmal auch eine aussichtsreiche sein dürfte. Scott Coopers erstaunlich sicherer Kino-Erstling beschreibt das Dasein des abgehalfterten Country-Sängers Bad Blake, der mit 57 Jahren seine Songs nur noch in Bowling-Hallen und Eckkneipen vortragen darf. Nun ist der abgewrackte, an die Schnapsflasche angeschlossene Künstler nicht gerade ein neues Kinomotiv, bei „Crazy Heart” aber hat man das gute Gefühl, die Geschichte erstmals richtig erzählt zu bekommen.
Bridges tut nie zuviel, lässt uns einfach Anteil haben an seinen Tagesabläufen, die mit Whisky zum Frühstück beginnen und mit Rentner-Groupies im Hotelbett enden. Dann aber gibt es zumindest den Versuch einer Beziehung zu einer 25 Jahre jüngeren Journalistin (Maggie Gyllenhaal) mit Kind, eine gewisse Stabilisierung und eine fantastische Liebeserklärung während ihres Interviews im Billig-Hotel: „Ich möchte darüber sprechen, wie schäbig Sie diesen Raum aussehen lassen.”
Wem solche Sätze noch einfallen und wer jemanden wie Robert Duvall zum Freund hat, der kann so schnell nicht untergehen. „Crazy Heart”, so merkwürdig das klingt, ist ein Drama zum Wohlfühlen.