Berlin.

Auf der Berlinale hat Regisseur Oskar Roehler seinen mit Spannung erwarteten Film „Jud Süß - Film ohne Gewissen“ mit Moritz Bleibtreu und Martina Gedeck vorgestellt. Nach der Pressevorführung wurde der deutsche Wettbewerbsbeitrag ausgebuht.

Die deutschen Kinostars Moritz Bleibtreu, Martina Gedeck und Oskar Roehler haben am Donnerstag den mit Spannung erwarteten Film „Jud Süß - Film ohne Gewissen“ auf der Berlinale präsentiert. Das knapp zweistündige Melodram über die Entstehungsgeschichte des Nazi-Propagandafilms startet im Wettbewerb um die Bären. Regisseur Roehler wies bereits vor der Weltpremiere erhobene Vorwürfe der Geschichtsfälschung zurück und betonte, es handele sich um einen Spielfilm.

Neegative Reaktionen und Buhrufe




In der Pressevorführung stieß der Film auf überwiegend negative Reaktionen, es gab mehrere Buhrufe. Roehler erzählt das Schicksal des beliebten Schauspielers Ferdinand Marian (Tobias Moretti), der von Joseph Goebbels (Bleibtreu) 1939 mehr oder weniger dazu gezwungen wird, die Hauptrolle in dem geplanten Propagandfilm zu spielen. Er verkörpert die historische Figur des Joseph Süß Oppenheimer, einen jüdischen Finanzbeamten, der 1738 hingerichtet wurde. Der Film gilt als Synonym für NS-Propaganda und ist noch heute in Deutschland nur unter Auflagen zu sehen.

Morettis Marian erfüllt alle Klischees eines Schauspielers: versoffen, herumhurend, cholerisch. Bleibtreu spielt einen lauten, stark hinkenden, häufig clownesken Goebbels, hinter dessen Fassade aber doch immer wieder Bleibtreu selbst zu sehen ist. Martina Gedeck als Frau des wankenden Schauspielers bleibt blass wie der gesamte Film.

Daran ändern auch die Auftritte weiterer bekannter Schauspieler wie Armin Rohde, Justus von Dohnanyi, Robert Stadlober, Heribert Sasse, Milan Peschel, Gudrun Landgrebe oder Rolf Zacher nichts. Absurde Szenen nehmen dem Melodram den Ernst, etwa als sich Marian während eines Bombenangriffs an einem offenen Hotelfenster mit der Frau eines SS-Mannes vergnügt.

Roehler wehrt sich gegen Kritik

In der Pressekonferenz wies Roehler den Vorwurf der Geschichtsfälschung zurück. Vielmehr sei man historisch sehr präzise vorgegangen. Aber natürlich gebe es immer Dinge, die offen für Interpretationen seien. Sonst hätte man einen Dokumentarfilm machen müssen.

Der Medienwissenschaftler Friedrich Knilli hatte Roehler in einem DAPD-Interview Legendenbildung vorgeworfen, weil dieser „ohne Grund zwei wichtige Dinge fälscht.“ Zum einen sei Marian anders als im Film nicht mit einer Jüdin verheiratet gewesen, sondern mit einer Katholikin. Zum anderen stimme es auch nicht, dass Marian einen Juden Unterschlupf geboten habe. Roehler habe diese Dinge vermutlich geändert, um seine Chancen auf eine Oscar-Nominierung zu erhöhen, spekulierte Knilli.

Roehler sagte, man habe die Frau zur Halbjüdin gemacht, weil das Paar damit exemplarisch für viele Künstler im Dritten Reich stehe. Auch der im Film gezeigte tödliche Autounfall Marians sei nicht belegt, räumte Roehler ein. Für ihn sei es aber von der Moral her klar gewesen, dass dieser sich am Ende das Leben nehmen müsse.

Drehbuchautor Klaus Richter sagte: „Wir haben verdichtet, was in Wirklichkeit da war.“ Gedeck meinte, sie sei dankbar für die Zuspitzung ihrer Figur: „Dadurch wurde sie relevant für mich.“

Bleibtreu empfand Goebbels als Clown - und dieses clowneske habe er nachgespielt. Aus heutiger Sicht seien die Nazi-Größen Satire. Man frage sich, wie es möglich sein konnte, dass sich so viele Menschen das angesehen und geglaubt hätten. (ddp/apn)