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Zwei junge Mädchen. Zwei ergreifende Schicksale, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Der bereits zweifach Oscar-nominierte Film „An Education“ von Lone Scherfig und Peter Jacksons „In meinem Himmel“ zeigen das Leben in Zwischenstadien.

Der Himmel muss warten, auf Susie. Dabei wirkt dieses lichtdurchflutete Jenseits einladender, als es die frommen Herrgottsmaler jemals hinbekommen hätten. Sie hatten ja auch nur Pinsel und Farbe zur Hand, nicht die Computertechnik von „Herr der Ringe”-Regisseur Peter Jackson, der aus dem ungewöhnlichen Missbrauchs-Drama „In meinem Himmel”eine poppig-bunte, psychedelisch-ausgemalte Technikzauberei macht.

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Als Alice Sebolds gleichnamiger Roman 2002 in die Buchläden kam, war Amerika offen für alles Übersinnliche. Mit den Zwillingstürmen war die Zuversicht einer Nation ins Bodenlose gestürzt. Eine Anleitung in Sachen Trauerbewältigung konnte nicht schaden. Niemals geht man so ganz, hieß denn auch die trostreiche Buch-Botschaft. Jedenfalls nicht, solange man wie Susie Salmon (Saoirse Ronan) in einer Art Zwischenreich lebt: Mit einem Bein schon in den wogenden Weizenfeldern des Totenreiches, mit dem anderen noch in jenem Vorort von Pennsylvania, wo die Eltern eines Abends nach der Schule vergebens auf ihre 14-jährige Tochter warten. Während die Familie beim Abendbrot sitzt, schwenkt die Kamera immer wieder in jenes finstere Erdloch, in das Susie von ihrem verhuschten Nachbarn (Stanley Tucci) gelockt wird. Dort überlässt es Jackson immerhin der Zuschauer-Phantasie, die grausigen Vergewaltigungs-Bilder auszumalen. Ansonsten wirkt diese opulent bebilderte, bewusst künstliche Mischung aus Familien-Drama und Fantasy-Thriller wie ein surreales Missbrauchs-Märchen, das nicht nur zwischen den Welten der Toten und Lebendigen, sondern auch zwischen extremen Stimmungen pendelt.

Da hat die wunderbare Susan Sarandon einen etwas schrägen Auftritt als Großmutter, die mit Lockenwicklern im Haar und Kippe im Mundwinkel den komischen Part beizusteuern hat, während Mark Wahlberg und Rachel Weisz als Elternpaar in ihrer sorgsam rekonstruierten 70er-Jahre-Vorort-Idylle am Kummer allmählich zerbrechen. So mischen sich Trauer, Tod und Leben zu einem Kaleidoskop knatschbunter Stimmungsbilder. Eine bisweilen an die Kitschgrenze gehende digitale Schönfärberei, die man trostreich und mutig finden kann oder einfach nur sonderbar.

An Education - vom Schulmädchen zu Partygirl

Auch die 16-jährige Jenny, sehenswert gespielt von Carey Mulligan, ist ein Mädchen im komplizierten Zwischenstadium: eben noch braves Schulmädchen und plötzlich mondänes Partygirl, strebsame Klassenbeste auf dem Weg in die intellektuelle Genügsamkeit der Upperclass, „An Education“, der neue, zweifach Oscar-nominierte Film von Lone Scherfig, erzählt die Geschichte dieser Verwandlung dabei als Geschichte einer Verführung. Peter Sarsgaard spielt den gewieften und lebensgewandten Mittdreißiger David, der nicht nur in Windeseile dem hübschen Teenager den Kopf verdreht und die strengen Eltern um den Finger wickelt, sondern auch das Publikum so weit für sich gewinnt, dass er bei aller betrügerischen Arglist letztlich noch erstaunlich aufrecht aus der Geschichte herauskommt.

Junges Ding trifft reifen Herren, der mit routiniertem Charme, Champagner und Parisausflügen bald das bekommt, was Herren diesen Zuschnitts so vorschwebt: Sex und tiefe Bewunderung. Dass solche Geschichten in Film und Leben selten gut ausgehen, hat sich herumgesprochen. Zumal die auf der Lebensgeschichte der britischen Starautorin Lynn Barber beruhende Story - von Erfolgsautor Nick Hornby als Drehbuch verfasst - Anfang der 1960er Jahre spielt. Die „Roaring Sixties“ sind noch kein Begriff, aber Oxford steht für Zukunft Freiheit, Selbstbestimmung. Doch die smarte Jenny, heilfroh, den spießigen Eltern (souverän: Cara Seymour und Alfred Molina), dem eintönigen Vorstadtleben und den klemmigen Jungs in der Klasse zu entkommen, wirft bald alle Studien-Pläne und Heirats-Bedenken über Bord.

Schmallippige Damen

Nicht mal die eindringlichen Worte der gestrengen Schulleiterin (Emma Thomp­son) und die Appelle der Englischlehrerin (Olivia Williams) wollen fruchten. Als Vorbilder scheinen die schmallippigen Damen dem aufblühenden Teenager ohnehin wenig verheißungsvoll.

Als Emanzipationsdrama kommt „An Education“ ausgesprochen elegant und locker, manchmal fast irritierend leichtfüßig daher. Auch hier scheint eine verletzte Mädchenseele letztlich Frieden zu machen mit ihrem Schicksal.

Anders als in Peter Jacksons Himmel findet sie ihr Heil allerdings nicht in kunterbunten Computervisionen, sondern am Ende doch in den Büchern.