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Pablo Pineda wurde als erster Akademiker mit Down-Syndrom bekannt. Seine Geschichte hat zwei spanischen Regisseure zu einem wunderbaren Film über die Tücken der Liebe mit und ohne Down-Syndrom inspiriert.

Als besonders vielversprechender Anlauf für einen Oscar gilt in Hollywood immer noch die große Handicap-Rolle: Russell Crowe als Schizophrener mit Nobelpreis in „A Beautiful Mind”, Dustin Hoffman als strubbeliger Autist in „Rain Man” oder Sean Penn als geistig behinderter Vater mit Erziehungs-Auftrag in „I’m Sam”.

Pablo Pineda ist eine Ausnahme unter den Kollegen. Der Spanier hat sich für seine Rolle keine telegenen Schrullen zugelegt, keine gewiefte Mienenakrobatik antrainiert; er spielt bloß die Rolle seine Lebens – ziemlich normal und bemerkenswert gut.

Flirt am Arbeitsplatz

© Movienet
© Movienet

Pablo Pineda kennt man nach zahlreichen Auftritten im spanischen Fernsehen als ersten Akademiker in Europa mit Down-Syndrom. Ein vermeintliches Wunderkind mit einem Chromosom zu viel. Wobei sich das mit dem Kind doch bitteschön mal erledigt haben sollte, als Mann von Mitte 30, der nicht nur beruflich voll integriert sein möchte, sondern auch privat. Daniel möchte eine Frau, Zärtlichkeit, Sex. Am liebsten mit seiner Arbeitskollegin Laura (Lola Duenas), die ihre Einsamkeit mit Alkohol und Affären betäubt.

Bei der gemeinsamen Arbeit auf dem Sozialamt wächst zwischen den beiden etwas, das weder Laura noch die Umgebung so einfach akzeptieren können: Freundschaft, Zuneigung, erotisches Knistern. „Neben dir fühl ich mich so normal”, gesteht Daniel. Aber er bleibt der untersetzte Kerl mit den wulstigen Fingern, einen Kopf kleiner als seine Angebetete. „Von Kopf bis Fuß Down eben”, grinst Daniel und die sympathischen Lachfalten kräuseln sich um die breite Nase.

Me Too – Wer will schon normal sein?“, dem staunenswerten Stück des spanischen Regie-Duos Antonio Naharro und Alvaro Pastor, gelingt eine Ausnahmeliebesgeschichte: berührend, aber ohne Sozialkitsch, humorvoll, und doch nicht oberflächlich, problembewusst, aber ohne Betroffenheitspathos. Kein erbauliches Märchen aus der wohlmeinenden Mitte einer niemals wirklich barrierefreien Gesellschaft, sondern ein Stück direkt aus dem Leben: so zärtlich und verrückt, so grausam und glückselig wie die Liebe normalerweise eben ist.

Förderung, Fürsorge und Freiheit

Zum wohltuenden Verzicht auf die üblichen Behindertenfilm-Klischees gehört auch, dass Liebesfähigkeit hier nicht auf etwas reduziert wird, was Menschen bleibt, wenn sie nicht ins Intelligenzschema der Normalgesellschaft passen. Daniel ist charmant und klug, witzig und schlagfertig. Einer, der mit seiner Mutter von Kindheit an Literatur bespricht und Gedichte liest. So ist der Film auch für Nichtbehinderte ein Lehrstück, darüber, dass sich Förderung, Fürsorge und persönliche Freiheit im Leben mit Down-Syndrom nicht ausschließen müssen. Das Pärchen, das sich in der Behinderten-Tanzgruppe „Danza Móbile“ kennen- und lieben lernt und wegen der überfürsorglichen Umklammerung der Mutter schließlich durchbrennt, muss von Daniel mit Hilfe einer Banane auf den notwendigen Aufklärungsstand gebracht werden. Es ist der Moment, in dem Daniel seine Liebe zur Normalität auch als Handicap erkennt.