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„Life in a Day“ könnte ein Drama werden. Das YouTube-Projekt fiel auf den Tag der tödlichen Massenpanik bei der Loveparade. Der britische Regisseur Kevin Macdonald hatte dazu aufgerufen, das Leben am 24. Juli zu filmen.

Kevin Macdonalds Film könnte unerwartet dramatisch werden. Sein Projekt „Life in a Day“ fiel am Samstag zufällig zusammen mit dem Unglück bei der Loveparade in Duisburg. Der britische Regisseur und Oscar-Preisträger hatte Menschen weltweit dazu aufgerufen, am 24. Juli ihr Leben zu filmen und die Videos auf das Internetportal YouTube hochzuladen. Er will aus den Beiträgen eine Dokumentation mit dem Titel „Life in a Day“ schneiden. Wenn man den Film in der Zukunft sehe, „wird man wie in einer Zeitkapsel darüber informiert, wie es war, am 24. Juli 2010 zu leben“, sagte der Filmemacher jüngst in einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Dass der Tag in Deutschland ein grauenvoller Unglückstag werden würde, an dem so viele junge Leute sterben sollten, konnte Macdonald (“Der letzte König von Schottland“) natürlich nicht ahnen. Dabei hatte er den Termin extra sorgfältig gewählt, wie er der „FAZ“ sagte. Es seien noch nicht allzu viele Menschen im Urlaub, die Fußballweltmeisterschaft sei vorbei und es sei ein Samstag, wo mehr Menschen Zeit für eine solche ungewöhnliche Aktion hätten. Doch nun finden sich die Ereignisse in Duisburg natürlich auch in den Videos wider, die bereits auf YouTube zu sehen sind.

Loveparade ist in vielen Videos ein Thema

Der 16-jährige Marc aus Duisburg hat seine Vorfreude auf die Party gefilmt. Er sitzt in seinem Zimmer und erzählt, dass er gleich mit seinen Freunden zur Loveparade fahre: „Das wird lustig.“ Ein Video mit dem Titel „We survived the Loveparade“ zeigt eine feiernde Meute auf dem Weg zu dem Techno-Spektakel. „Oh, wie ist das schön“, gröhlen sie in einem rappelvollen Bahnabteil. Auf dem Weg zum Partygelände laufen singende und tanzende Leute ins Bild. Dann ist Schluss mit lustig: Die aus den Medien inzwischen gut bekannten Szenen folgen - wie in der dichtgedrängten Masse Panik ausbricht und Menschen versuchen, über ungesicherte Treppen zu fliehen.

Franks Video zeigt zunächst einen Teddy mit FC-Köln-Trikot, einen Frühstücksteller mit Spiegeleiern, Impressionen aus Stadt und Wohnung. Man weiß nicht genau, was der Beitrag soll, aber Frank hat dem Film ohne Ton den Titel „In Gedenken: Loveparade Duisburg“ gegeben. Unvermittelt kommt eine Nachrichtenstimme dazu: „Es gibt Tote und Verletzte.“ Der Autor filmt die TV- Berichterstattung über das Unglück und auch seine eigenen Einträge im Internet-Chat ab. Er hat geschrieben: „Bin jetzt ganz froh, dass ich nicht live bei der Loveparade bin.“

Von Zähneputzen und Brötchenschmieren

Zwar hatte Macdonald weltweit Beiträge erbeten und sicher werden bis 31. Juli noch unzählige Videos hochgeladen, die nicht die Loveparade thematisieren. Trotzdem wird er kaum vermeiden können, dass die tödliche Party in seiner Dokumentation eine Rolle spielen wird. Ansonsten hat sich der Regisseur mit seinem Projekt keine einfache Aufgabe gestellt. Nicht alle Beiträge sind Rohmaterial, welches das Herz eines Profis auf Anhieb höher schlagen lässt.

Fast zehn Minuten lang erzählt eine junge Frau namens Katharina, mit einem dicken Buch bewaffnet, dass sie gern liest, Ungerechtigkeit hasst und keine Wespen mag. Sonne darf für sie nicht zu heiß sein, Musik nicht zu laut. „Life in a Day“-Teilnehmer Dietmar hat sich vor dem Bundesverteidigungsministerium in Berlin postiert, hält die Schlagzeilen der großen Tageszeitungen in die Kamera und gedenkt zudem gefallener deutscher Soldaten. Ein weiterer Hobbyfilmer hat auf seiner Autofahrt nach Mainz die Kamera aus dem Fenster gehalten. Eine vor der Kamera nicht in Erscheinung tretende Frau hat Bilder vom Zähneputzen und Brötchenschmieren aufgenommen.

Filmprojekt als künstlerische Herausforderung

Im Interview mit der „FAZ“ hatte Macdonald Ähnliches wohl schon vorhergesehen und sogar fast erbeten: Für ihn sei das Filmprojekt, das von Ridley Scott (“Robin Hood“) produziert wird, „vor allem eine künstlerische Herausforderung“, sagte der Regisseur, der seine Karriere als Dokumentarfilmer (“Ein Tag im September“) begann. Angekündigt hatte er auch, die Filme könnten einfache Dinge abbilden: „etwa einen schönen Ausblick aus dem Fenster, wenn jemand morgens erwacht, eine Zugreise oder eine Zubereitung eines Essens für die Familie“.

Die fertige Dokumentation soll auf dem nächsten Sundance-Filmfestival im Januar 2011 Premiere feiern. (ddp)