München. .

Für die Dreharbeiten zu dem Film „Nanga Parbat“ hat sich das Team selbst in Lebensgefahr begeben. Lawinen, Steinschläge, politische Unruhen und Sandstürme erschwerten die Arbeiten. Entschädigt wurde die Crew durch grandiose Naturbilder. Ein Interview mit Regisseur Joseph Vilsmaier.

Regisseur Joseph Vilsmaier hat bei den Dreharbeiten zu seinem Film «Nanga Parbat» über die Tragödie der Bergsteiger-Brüder Reinhold und Günther Messner sein eigenes Abenteuer erlebt.

Ihr Film erzählt wird die tragische Geschichte der Brüder Messner und deren spektakuläre Besteigung eines der höchsten Gipfel der Welt, bei der Günther 1970 ums Leben kam. Können Sie, als gebürtiger Münchner, die Faszination der Bergwelt nachvollziehen?

In einer Szene des Films
In einer Szene des Films "Nanga Parbat" sind Reinhold Messner (Florian Stetter), links, und Günther (Andreas Tobias) beim Abstieg auf der Diamirseite des Nanga Parbat. Foto: ap © AP

Vilsmaier: Ja, klar! In jungen Jahren bin ich wahnsinnig viel in den Bergen gewandert. Aber ich bin überhaupt kein Kletterer. Das werde ich auch nie lernen, weil ich viel zu viel Schiss hätte. Mit 22 Jahren habe ich zwei Mal versucht, die Viererspitze im Karwendelgebirge hochzuklettern. Da geht’s vielleicht 15 Meter runter. Hoch war kein Problem. Aber ich bin fast nicht mehr ‘runter gekommen. Wenn ich an einer Wand hängen würde und 100 Meter in die Tiefe blicken müsste, würde ich mir vor Angst in die Hosen machen.

Wie haben Sie es dann geschafft, sich für die Dreharbeiten zum Basislager auf 3.500 Metern hoch zu wagen, mit dem Hubschrauber sogar in Höhen bis zu 7.200 Metern zu fliegen?

Vilsmaier: Das war was anderes, weil ich nicht an einem Abhang hängen musste. Natürlich war es ungeheuer beeindruckend, am Nanga Parbat zu stehen. Man spürt eine diffuse Angst, aber auch eine unerklärliche Faszination. Als ich das erste Mal dort war, habe ich gedacht «Lauter Wahnsinnige, die da hoch gehen» und zu Reinhold gesagt: «Ihr müsst nicht ganz dicht sein, diesen Berg hoch zu klettern». Man hört pausenlos Lawinen, die in der Größe der Zugspitze herabfallen, oder Steinschläge. Auf 7.200 Metern, in der sogenannten Todeszone, hatten wir Sauerstoffflaschen dabei. Man kann sich vorstellen, was der Körper da mitmacht.

Und dann wurde es abenteuerlich.

Vilsmaier: Unser alter Militärhubschrauber von der pakistanischen Armee hatte ungefähr 40 Jahre auf dem Buckel, es gab keine Türen, wir saßen unangeschnallt auf Kisten und mussten zwischendurch sogar notlanden, als wir auf dem Weg zum Tanken waren. Denn plötzlich kam eine schwarze Gewitterfront auf uns zu, der wir nur nach unten ausweichen konnten, um dann in einem schmalen Tal zu landen. Aber es kam noch schlimmer.

Oha!

Vilsmaier: Kaum hatten wir in Gilgit, circa 90 Kilometer von der chinesischen Grenze, zum Landeanflug angesetzt, kam uns auf rund zehn Kilometer Höhe eine rote Wand entgegen. Das war ein Sandsturm, logischerweise absolut lebensgefährlich! Irgendwie haben es die Piloten trotzdem geschafft, irgendwo auf einem Acker zu landen.

Kaum hatten wir diesen Nervenstress überwunden, mussten wir mit Lastwagen weiter nach Gilgit. Dessen Reifen hatten kaum noch Profil, es gab keine Leitplanken, obwohl es direkt neben der Straße 400 Meter ‘runter ging, und mein Fahrer war dazu auch noch auf einem Auge blind. Das war das Allerschlimmste der ganzen Reise für mich! Die Notlandung habe ich noch mit Humor ertragen, die Fahrt mit dem Lastwagen war grenzwertig.

Die Dreharbeiten waren also echte Strapazen und sehr abenteuerlich. Mal abgesehen, von den politischen Unruhen in Pakistan und der Tatsache, dass zehn Tage nachdem wir dort waren, in unserem Hotel in Rawalpindi die Bombe hochging. Aber all das wurde entschädigt durch das, was wir erlebt und gesehen haben.

Für Reinhold Messner beinhalteten all seine Expeditionen neben dem grenzenlosen Abenteuer auch gleichzeitig ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Können Sie das nachvollziehen?

Vilsmaier: Ja, weil ich meine Grenzen überwunden habe und ganz viele unvergessliche Eindrücke mit nach Hause gebracht habe. Was die Story betrifft, habe ich damals, 1970, die Tragödie ja noch im Radio mitverfolgt. Ich werde auch nie vergessen, wie ich als Kind 1953 aus dem Radio von der Erstbesteigung des Nanga Parbat durch den Tiroler Hermann Buhl hörte. Zu der Zeit war eine Erstbesteigung ja noch etwas ganz Außergewöhnliches. Im Schnittraum habe ich auch gemerkt, dass Reinhold die Szene mit seinem verschollenen Bruder selbst nach 40 Jahren nach wie vor sehr berührt hat. Was ich gut nachvollziehen kann. So etwas vergisst man nie.

Würden Sie im Nachhinein sagen, das war Ihr mutigstes Projekt?

Vilsmaier: Nein, ich mach’ alles. Ich bin kein Jammerer; solche Leute gehen mir auf den Geist. Und wenn mir was gefällt, dann stürze ich mich kopflos ins Abenteuer. Ich habe diesen Film eher sportlich aufgefasst.

Was wäre noch eine Herausforderung für Sie?

Vilsmaier: Ich habe schon sein zehn Jahren ein Projekt im Hinterkopf - über den Alpenkrieg. Also wieder ein Bergdrama und die Sprengung des berühmten Südtiroler Berges Col di Lana zur Zeit des Ersten Weltkrieges. Der sinnloseste Krieg, den es je gegeben hat! Ideal wäre es natürlich, wenn der Film 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, also 2014/15 ins Kino käme.