Essen. Toupet, Oberlippenbart, Übergewicht - Biotechniker und kleinbürgerlicher Spießer Mark Whitacre scheint kein Wässerchen trüben zu können. US-Superstar Matt Damon überzeugt als gewiefter Buchhaltertyp in Steven Soderberghs Thriller mit Ausrufungszeichen: "Der Informant!".

Der Informant!

Deutscher Kinostart: 5. November 2009

Regie: Steven Soderbergh

Darsteller: Matt Damon, Lucas McHugh Carroll, Scott Bakula, Joel McHale, Melanie Lynskey, Tom Papa, Rick Overton u. a.

Nach 20 Jahren im Filmgeschäft schafft es Regisseur Steven Soderbergh immer noch, das Publikum zu verblüffen. Kaum ein anderer pendelt wie er derart ausdauernd zwischen Multiplex und Arthouse, zwischen sicheren Blockbustern voll von teuren Stars („Ocean's Eleven”) und kleinen Liebhaberprojekten voll von optischen und erzählerischen Wagnissen. Und manchmal schafft er es sogar, die beiden Seiten seiner Kreativität zusammenzuführen, um die Zuschauer vollends zu verunsichern.

„Der Informant!” ist ein solcher Film: Mit Matt Damon in der Hauptrolle gibt er sich den smarten Look eines authentischen Thrillers, das seltsame Ausrufungszeichen hinter dem Titel jedoch schmeckt bereits ein wenig nach Comedy. Am Ende hat man ein brillant ausgetüfteltes, höchst unterhaltsames Stück Kino, das sich gegen jede Klassifizierung sperrt.

Jungenhaft und bieder

Der Informant! © Warner Bros. Ent.
Der Informant! © Warner Bros. Ent. © © 2009 Warner Bros. Ent.

Schon immer erschien uns Matt Damon nicht als der geborene Actionstar, als den man ihn uns in den „Bourne”-Filmen verkaufen wollte. Das Jungenhafte und Biedere, das diesem Schauspieler anhaftet, passt viel besser zu einem Buchhaltertypen wie Mark Whitacre in „Der Informant!”: mit leichtem Schwabbelbauch über dem Hosenbund (Damon nahm eigens für die Rolle 17 Kilo zu), Oberlippenschnäuzer und erkennbarem Toupet. Als solcher ist er Leitender Angestellter des Agrarkonzerns ADM in Illinois, aber auch der bisher hochkarätigste FBI-Informant in der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte. Er lieferte Insiderinformationen über internationale Preisabsprachen zu Lasten der Kunden, nahm Konferenzen auf Tonband auf oder filmte sie sogar mit versteckter Kamera.

Doch die beiden FBI-Agenten Shepard (Scott Bakula) und Herndon (Joel McHale) verzweifeln schon bald an ihrem wichtigen Zeugen, ebenso wie der Zuschauer, dem die Figur Whitacre mehr und mehr entgleitet und unerklärlich wird. Gerade hat man sich eingelassen auf ein Handlungsschema, das uns den Informanten wie gewohnt als Helden kredenzt, da tauchen erste bohrende Zweifel auf.

Ein Typ mit Toupet und Schwabbelbauch

Agent mit Biss

Bier und Pizza

Als drahtiger Agent Jason Bourne hat Matt Damon Karriere gemacht. Zum schwabbeligen Informanten zu mutieren, sei ihm aber gar nicht schwer gefallen, gesteht der 39-Jährige. Massenweise Pizza und Bier hätten rasch ihre Wirkung getan. Nur von den eigenen Töchtern muss er Spott ertragen, die nennen Dad jetzt „Matty Fatty".

Das faule Spiel, das Whitacre da im Zusammenhang mit einem angeblich mutwillig eingeschleppten Virus mit der Konzernspitze spielt, riecht bereits arg nach persönlicher Bereicherung. Und dann plaudert dieser seltsame Typ auch noch andauernd Einzelheiten über geheime FBI-Aktionen gegenüber Dritten aus.

Der vermeintliche Held zeigt zunächst nur verdächtige Risse und zerbröckelt schließlich vollends, als auch noch Unterschlagungen seinerseits in großem Stil ans Licht kommen. Am Ende verbüßt der wackere Informant eine Gefängnisstrafe, die dreimal so hoch ist wie die jener Leute, deren Praktiken er öffentlich machen wollte.

Nebelkerzen für das eigene Fehlverhalten

Matt Damon ist
Matt Damon ist "Der Informant!". © Warner Bros. Ent. © © 2009 Warner Bros. Ent.

Soderberghs Art und Weise, seinen Helden schleichend zu demontieren, zeugt von brillanter Handhabung des Mediums Film. Hier wird auf Grundlage realer Ereignisse mit großem Vorsatz der amerikanische Traum vom tapferen Einzelgänger zerstört, der in diesem Fall eigentlich nur deshalb Kontakt zum FBI sucht, um Nebelkerzen für das eigene Fehlverhalten zu werfen.

Selbst die häufig eingesetzte Erzählerstimme der Hauptfigur, sonst ein Vertrauen schaffendes Band zwischen Leinwand und Parkett, verkehrt sich in „Der Informant!” ins Gegenteil. Wenn wir Whitacre aus dem Off sprechen hören, dann reflektiert er lediglich über banale Alltagsdinge oder stellt abstruse Theorien auf. Nie aber nimmt er Stellung zu dem, was sich tatsächlich in seinem Leben ereignet. Es ist, als ob sich hier bereits Realitätsferne manifestiert, als wolle hier einer ablenken von der manischen Lügerei, mit denen er sogar das FBI zeitweise in die Irre führt.

Und der Zuschauer? Der fällt durch mehrere Falltüren, bis er sich von dem erwarteten Thriller verabschiedet und in einer schwarzhumorigen Farce eingerichtet hat.