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Corinna Harfouch und Bruno Ganz entdecken die Romantik in Zeiten abnehmender Sehstärke: „Giulias Verschwinden“ heißt der Film nach einem Drehbuch von Martin Suter, und er ist geistreich, aber auch ein bisschen geschwätzig.

Suter-Wochen im deutschen Kino: Nach der Verfilmung seines Romans „Lila Lila” mit Daniel Brühl tritt der Schweizer Erfolgsschriftsteller nun als Drehbuchautor auf: In „Giulias Verschwinden” feiert er das Alter in seinen verschiedenen Abschnitten - pointiert, geistreich, aber auch etwas geschwätzig, wie man nach dem dritten Prosecco halt so ins Plaudern kommt.

Vor allem aber kreiert er ein neues Best-Ager-Paar, der nachdenkliche Gegenentwurf zu munteren Hollywood-Spätzündern wie Meryl Streep und Alec Baldwin; Corinna Harfouch und Bruno Ganz entdecken die Romantik in Zeiten abnehmender Sehstärke.

Redundanzen im Redefluss

Corinna Harfouch ist Giulia, die Frau von 50, und sie ist die wunderbare, ausdrucksstarke Leerstelle in diesem dialogreichen Stück. Als sie an ihrem 50. Geburtstag plötzlich meint, unsichtbar zu werden und nicht mal mehr ihr Spiegelbild findet, geht sie in ein Brillengeschäft und trifft auf John (Bruno Ganz), der noch ganz gerne genau hinguckt.

So wartet Giulias Geburtstagsgesellschaft beim Italiener und räsoniert – über Cholesterin-Werte und Sehstärke, über Trennkost und Schönheits-OPs. Glücklicherweise sind es fabelhafte Darsteller von Stefan Kurt über Andre Jung bis Sunnyi Melles, denen man gerne zuhört, trotz mancher Redundanzen, die sich irgendwann doch in diesen in reichlich Alkohol, Melancholie und Selbstironie getränkten Redefluss mischen.

Alt werden wollen alle, alt sein - eher nicht

„Giulias Verschwinden” ist dabei ein Film, der auf vielen Festen gleichzeitig tanzen will. Regisseur Christoph Schaub schafft mit Spiegeleffekten und Überblendungen geschmeidige Übergänge, doch die Story wirkt bisweilen etwas im Ungleichgewicht.

Da ist noch der 18. Geburtstag, der zwei Freundinnen nach einem Ladendiebstahl eine Nacht auf der Polizeiwache beschert. Und da ist der 80. im Seniorenheim, der im herrlich turbulenten Alten-Aufstand endet. Alt werden, so weiß auch Suter, wollen alle. Alt sein will keiner. So ist der polternde Widerstand von Christine Schorn die vielleicht ehrlichste Antwort auf all die Gratulationen und Geschenke. Denn das, zwinkert der Film etwas angestrengt, wird das Alter uns irgendwann bringen: Suter als Hörbuch.