Köln.

Schauspieler Günter Lamprecht feiert am Donnerstag seinen 80. Geburtstag. „Ich möchte 120 Jahre alt werden“, sagt er. „Vorausgesetzt: Kein Idiot kommt auf die Idee, einen Krieg anzufangen.“ Die grausamen Kriegserfahrungen haben ihn zu einem Kämpfer für eine friedliche Welt gemacht.

„Die Sehnsucht“, sagt er „ist geblieben“. Die Sehnsucht nach guten, niveauvollen, charakterstarken, herausfordernden Rollen. Wie damals, 1980, als ihn sein Freund Rainer Werner Fassbinder zum Franz Biberkopf in Alfred Döblins „Berlin Alexanderplatz“ machte. Ein bisschen von dem Franz ist ihm treu geblieben. Bis heute. Denn der Franz spiegelt einiges der eigenen Stimmungslage wider, wenn der Schauspieler Günter Lamprecht den Franz zitiert mit „ein höllisches Ding, das Leben“. Am Donnerstag wird Günter Lamprecht 80 Jahre.

Eine Party für „Jünta“

Zu dem Fest kehrt er in seine Geburtsstadt Berlin zurück. Die „Urmutter“ des deutschen Films, die Produzentin Regina Ziegler, gibt für ihren „Jünta“ eine Party. Obwohl Lamprecht das Ruhrgebiet liebt, sich den Menschen hier „schicksalsverbunden“ fühlt, in Bochum, Oberhausen, Essen und Marl Theater gespielt hat, in der Nähe von Köln lebt, zieht es ihn immer wieder an die Spree.

Dort, wo er in „proletarischen Verhältnissen“ aufgewachsen ist, als unerwünschtes Kind. Mit einem Vater, der der SA diente. Wo er 1945, „mit 15 Jahren fast täglich 20 Landser beerdigt“ hat.

Die grausamen Kriegserfahrungen lassen ihn zu einem Kämpfer für eine friedliche Welt werden. Lamprecht verabscheut Gewalt. „Ich möchte 120 Jahre alt werden“, sagt er. „Vorausgesetzt: Kein Idiot kommt auf die Idee, einen Krieg anzufangen.“ Um zu helfen, wenn doch irgendwelche Idioten auf dieser Welt um sich ballern, engagiert er sich als Botschafter für das Friedensdorf Oberhausen.

Und kämpft für ein gewaltfreies Fernsehen. Bei seinem „Tatort“-Kommissar Markowitz, der von 1991 bis 1995 acht Fälle in Berlin aufklärt, legt er Wert darauf, dass neben dem obligatorischen Mord auch ein politisch brisantes Thema abgearbeitet wird. Ganz schön wegweisend, wie sich herausstellt. Heute ist gerade diese Aktualität zu einem Markenzeichen der Krimireihe geworden.

Unter Dauerbeschuss

„Wenn ich abends den Fernseher einschalte und irgendwelche Actionfilme sehe, dann wird mir schlecht.” Lamprecht macht sich vor allem Sorgen um Jugendliche, die vor dem Bildschirm verrohen. „Die Mütter müssen darauf achten, was in den Kinderzimmern passiert”, ist er nicht erst seit dem 1. November 1999 überzeugt. Jenem Tag in Bad Reichenhall, der sein Leben verändern sollte. Ein 16-jähriger Amokläufer schießt Günter Lamprecht und seine Lebensgefährtin Claudia Amm nieder. Vier Menschen sterben. „Wir lagen 50 Minuten unter Dauerbeschuss“, erinnert er sich. 56 Schuss hat der Bengel abgegeben, die Polizei nicht einen.“ Noch heute sind die schrecklichen Erlebnisse allgegenwärtig. Verursachen Albträume.

Weil sich der 16-Jährige selbst erschießt, gibt es juristisch betrachtet keinen Täter mehr, der zur Rechenschaft gezogen werden kann. Das akzeptiert Lamprecht nicht, verklagt die Polizei wegen unterlassener Hilfeleistung und die Eltern des Jungen. „Die haben ihm das Schießen beigebracht.“ Auf Verständnis stößt er nicht.

Klage scheitert

Ein Essener Richter fragt ihn, warum er „das als Filmstar nötig hat“. Andere Menschen beschimpfen ihn, weil er Forderungen an die Eltern, „diese armen Menschen“ stellt. Lamprecht kommt nicht durch. Vor zwei Jahren wird sein Klageerzwingungsantrag in Karlsruhe endgültig abgelehnt. „Die Akten liegen jetzt in meinem Keller.“

Der Schauspieler, der auf fast allen deutschen Bühnen zu Hause war, der in mehr als 40 Jahren schier unzählige Filme vom „Brot des Bäckers“ über „Das Boot“ bis „Epsteins Nacht“ gedreht hat, zieht sich zurück. Versucht schreibend sein Trauma zu verarbeiten. Ein Film über die Ereignisse von Reichenhall ist geplant. Doch schlaflose Nächte zwingen ihn zur Aufgabe. „Ich habe dem Bengel verziehen“, sagt er heute.

Keine passende Rolle

Verzeihen kann er auch, dass er keine für ihn attraktiven Rollen angeboten bekommt. „Ich habe das aufgearbeitet“, berichtet er. Auch wenn ihm erst vor ein paar Tagen Günter Netzer erklärt hat: „Das ist eine Schande. Man sieht Sie nicht mehr.“ An Angeboten mangelt es nicht. So habe man ihm den Part des Vaters in dem Walfilm mit Veronika Ferres angetragen. Wollte er nicht.

Genauso wenig wollte er den Fischhändler mit Seppelhosen auf der Alm geben. „Ich will nicht der Opa in irgendeiner Serie sein“, meint er. Vorstellen kann er sich eine „altersgerechte Figur, die aus der Literatur heraus entwickelt wird“. Die sei aber nicht gekommen.

So plant er nach der großen Geburtstagsparty zunächst einmal einen ausgiebigen Urlaub. „Ich war beim TÜV“, berichtet er. „Ich brauch’ jetzt ein paar neue Ersatzteile.“ Mit dem Knie stimme etwas nicht. „Aber Gott sei Dank, die Birne ist noch okay.“ Er könne noch wunderbar lange Texte lernen. Denn eines ist klar: Die Sehnsucht ist ja bekanntlich geblieben.