Berlin. Der Sensationserfolg von „Das Boot“ spülte ihn nach Hollywood. Jürgen Prochnow, der heute 80 wird, hat allerdings mit den USA abgeschlossen.
Die grabentiefen Furchen haben sich schon vor Jahrzehnten in sein kantiges Gesicht gearbeitet. Nun ist das volle Haar weiß, aber die geschmeidigen Bewegungen dieses drahtigen Mannes bringt man nicht zwangsläufig mit jemandem zusammen, der am Donnerstag 80 Jahre alt wird. Seit vier Jahren schon ist Jürgen Prochnow zurück aus Hollywood, das er einst per „Boot“ eroberte. Der zweifache Vater wohnt mit seiner Frau Verena Wengler in Berlin und dreht auch wieder in Deutschland.
Mit schauspielerischem Minimalismus zum Star
Wer ihn je zum Gespräch traf, der erinnert sich an die sanfte Stimme, die zu diesem taffen Typen nicht ganz passen will, an die herzliche, zugewandte Art, selbst wenn er zum hundertsten Mal die Frage beantworten musste, ob er denn immer noch mit „Herr Kaleun“ angeredet wird.
Den wird er halt nie mehr los, den Kommandanten, der 1981 das berühmteste U-Boot der Filmgeschichte durch den Krieg manövrierte und Prochnow mit seinem schauspielerischen Minimalismus zum internationalen Star machte.
Gerade die Amerikaner liebten „Das Buut“ ganz besonders -- ein Grund, warum man den Berliner, der in Düsseldorf aufwuchs und dort eine Weile Theater spielte und die Essener Folkwangschule besucht hatte, lange Zeit nur noch selten in Deutschland sah.
Eiskalt als Franz Moor in Schillers „Räuber“
Dabei wäre es wie so oft in solchen Fällen, mehr als ungerecht, ihn auf eine Rolle zu reduzieren, selbst wenn man sich für den einsilbigen Kapitän mit seiner sparsamen Mimik keine bessere Besetzung hätte vorstellen können.
Aber Prochnow kann eben so viel mehr. Als Franz Moor in Schillers „Räuber“ mit streng gegeltem Haar und eisigem Gemüt kürte ihn die Zeitschrift „Theater heute“ 1979 zum Schauspieler des Jahres – in der Düsseldorfer Inszenierung legte er einen teuflischen Intriganten hin, den man fortan nicht vergaß.
Aber auch im neuen deutschen Film hatte Prochnow zu diesem Zeitpunkt schon Spuren hinterlassen, in „Die Verrohung des Franz Blum“ oder „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“.
Als homosexueller Schauspieler, der sich in Haft in den 16-jährigen Sohn des Gefängnisaufsehers verliebt, sprengten er und „Boot“-Regisseur Wolfgang Petersen mit dem mutigen Film „Die Konsequenz“ 1977 die deutsche Fernsehabend-Gemütlichkeit – in einer Zeit, da oft genug über das TV-Ereignis des Vorabends noch in Schulen und Büros am Tag danach diskutiert wurde. „Die Konsequenz“ löste scharfe Debatten aus und wurde schließlich mit Recht mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Grimme-Preis. Auf den Film sei er besonders stolz, hat Prochnow stets betont.
Prochnow musste oft den harten Burschen geben
In Hollywood indes fasste er zwar Fuß, doch Regisseure und Besetzungsbüros legten ihm Fesseln an: Prochnow musste in dutzenden Rollen immer wieder den finsteren Gesellen geben. Wenn es gut lief, in Top-Produktionen wie „Der englische Patient“, „Der Wüstenplanet“ oder „Weiße Zeit der Dürre“, wo er eine Szene mit seinem Idol drehen durfte, dem Leinwand-Giganten Marlon Brando – wenn es schlecht lief, in Streifen, deren Titel man spätestens im Abspann vergessen hatte.
Der deutsche Film hatte ihn vergessen zu dieser Zeit. „Die haben alle gedacht, der ist weg für uns, er ist nicht mehr bezahlbar“, sagte er einmal im Gespräch. Er haderte damit nicht, lobte lieber die professionellen Arbeitsbedingungen in den Staaten.
Gleichwohl schätzte er auch in Amerika nicht alles, obwohl er seit 2003 neben dem deutschen einen US-Pass besitzt. „Die Menschen sind wunderbar, haben mich toll aufgenommen“, erzählte er vor einigen Jahren, „aber im System dieses gnadenlosen Kapitalismus empört mich vieles.“
Keine Waffe in Prochnows Haus
Auf die Frage, ob er denn eine Waffe im Haus habe, griff er sich an den Kopf: „Um Gottes Willen, ich würde nie eine haben wollen, und die Diskussion darum ist Schwachsinn.“
Donald Trump machte es ihm leichter als gedacht, das Land zu verlassen. „Das war tatsächlich das Vehikel“, hat er im vergangenen Jahr erzählt. Und hinzugefügt: „Aber eigentlich war’s die Liebe.“ Mit 70 habe er seine jetzige Frau kennengelernt, das Leben in den USA und Deutschland aufzuteilen, das habe irgendwann nicht mehr gut funktioniert.
Rückkehr in den „Tatort“
Plötzlich tauchte er sogar im „Tatort“ wieder einmal auf, nach 33-jähriger Pause. Und gab den Hunnenkönig Etzel im Stück „Siegfrieds Erben“ bei den Nibelungenfestspielen Worms. Nach ungefähr 100 Filmrollen hat man ihn sogar mal in einer Komödie erwischt, mit dem nicht so furchtbar originellen Titel „Der Alte und die Nervensäge“. Kann er aber auch, Komödie.