„Es – Kapitel 2“ beschließt das erfolgreiche Kino-Revival des King-Romans mit einer Mischung aus psychologischem Horror und Kunstblut
Wohl kaum ein Exponat der Popkultur vermittelt die Phobie vor Clowns so eindringlich wie Stephen Kings Horror-Bestseller „Es“ von 1986. Bereits 1990 wurde der Stoff als halbgarer Fernsehzweiteiler adaptiert, von dem vor allem Tim Currys ikonische Darstellung des Clowns Pennywise in Erinnerung blieb. Wenn das listige Wesen aus dem Gullydeckel lugt und Kinder in die Kanalisation verschleppt, schauert es auch gestandene Horrorfans. Die berühmte Szene mit dem Gullydeckel zitierte Andy Muschietti („Mama“) im ersten Kapitel der Neuverfilmung fast unverändert. Ansonsten haben der Regisseur und Drehbuchautor Gary Dauberman („Annabelle“) den Fernsehfilm in jeglicher Hinsicht modernisiert. Das erste Kapitel erinnerte mit dem 80er-Flair und der Kinderclique an den Coming-of-Age-Klassiker „Stand By Me“. Im zweiten Part geht es nun verschärft ans Eingemachte.
Das verdrängte Böse
Wie im Buch setzt der Plot 27 Jahre nach dem ersten Part ein, als die sieben Mitglieder des „Clubs der Verlierer“ erwachsen sind. Nachdem das „Es“, das meist in Form des Clowns Pennywise erscheint, scheinbar besiegt wurde, sind bis auf den Bibliothekar Mike alle aus der Kleinstadt Derry weggezogen. Als sich dort wieder ominöse Todesfälle mehren, kontaktiert Mike die alten Freunde. Bill, Beverly, Ben, Richie, Eddie und Stanley haben das Grauen inzwischen allerdings verdrängt und wissen auch nichts mehr vom damals geleisteten Schwur, bei einer Rückkehr des Monsters erneut gegen dieses anzutreten. Ein inneres Bedürfnis zieht sie trotzdem nach Derry, wo die Erinnerung mit aller Wucht zurückkehrt. Die Konfrontation mit der traumatischen Vergangenheit bringt es mit sich, dass der viel gelobte junge Cast aus dem ersten Teil um die Kinderdarsteller Jack Dylan Grazer („Shazam!“) und Finn Wolfhard („Stranger Things“) in zahlreichen Rückblenden auftritt, die die Gegenwartshandlung unterfüttern. Die erwachsenen Versionen werden von hochkarätigen Mimen wie Jessica Chastain, James McAvoy und Bill Hader gespielt, während Bill Skarsgård erneut einige irritierende Auftritte als Horrorclown verbucht.
Nichts für schwache Nerven
Das hohe Schauspielpotenzial fällt auf fruchtbaren Boden, denn Muschietti setzt mehr auf psychologischen Horror als auf reinen Terror. Der Schrecken hallt in den entsetzten Gesichtern der Figuren und im nervenaufreibenden Soundtrack wider, eskaliert bisweilen aber natürlich in blutigen Mordszenen und schierem Wahnsinn. Der dabei auch humorvolle Horrorfilm bleibt dem Roman weitgehend treu, was sich auch in der stolzen Laufzeit von 169 Minuten niederschlägt. Langeweile kommt aber kaum auf – dafür sorgen schon die stetigen Wechsel der Zeitebenen, die beißende Ironie und die gut platzierten Schockmomente.
USA/CN 2019, 169 Min.,
R: Andy Muschietti,
D: Bill Skarsgård, Finn Wolfhard, Jessica Chastain,
Bill Hader, Sophia Lillis
FSK 18, Wertung: 4 von 5 Sterne