Essen. Mystikerin des Mittelalters: Margarethe von Trotta verfilmt das Leben der Ordensfrau Hildegard von Bingen mit Barbara Sukowa in der Hauptrolle Leider deutet der Film in seiner ehrfürchtigen Art zu wenig und verlegt sich ganz auf die möglichst akkurate Wiedergabe von Lebensstationen.

Vision - Aus dem Leben der Hildegard von Bingen

Deutscher Kinostart: 24.09.2009

Regie: Margarethe von Trotta

Darsteller: Barbara Sukowa, Heino Ferch, Hannah Herzsprung, Alexander Held, Lena Stolze, Sunnyi Melles u. a.

„Wer Visionen hat, der soll besser zum Arzt gehen”, so sprach einst Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt. Eine Empfehlung an das Machbare und Vernünftige. Wie spannend könnte da die Begegnung mit einer Frau aus dem 12. Jahrhundert sein, die schon ihre ganz eigenen Vorstellungen und Zweifel hatte, als die Erde noch eine Scheibe und Gleichberechtigung eine Aufgabe für kommende Jahrhunderte war. Regisseurin Margarethe von Trotta hat diese Figur, hat Hildegard von Bingen fürs große Kino entdeckt und in ihre Ahnengalerie der streitbaren Frauen eingereiht: Rosa Luxemburg, die Widerstandskämpferinnen der Rosenstraße und nun – die große Mystikerin Hildegard.

Fromme Vorbotin des Feminismus?

Eine Prophetin, Äbtissin, Heilkundlerin und Musikerin als fromme Vorbotin und Vorbild des späteren Feminismus? Wer sich mit diesem heiklen Ansatz anfreunden kann, erlebt eine kluge und tatendurstige Ordensfrau, die nicht nur Kirchengeschichte schrieb, sondern theologische Bücher, Kompositionen und Naturheilrezepte. Aus der Wellness-Ecke erwuchs zuletzt ein reges Interesse an Dinkelkeksen und Müsli-Riegeln à la Hildegard.

Doch der Film verweilt nur kurz in Klostergarten und Krankenstube und konzentriert sich auf das religiöse Charisma: Hildegard schart eine Gruppe junger Nonnen um sich, allen voran die euphorische Richardis von Stade (mit fiebernden Wangen: Hannah Herzsprung), lässt ihre Visionen vom Papst offiziell anerkennen, notiert mit Hilfe ihres Vertrauten Mönch Volmar (sehenswert mit Tonsur: Heino Ferch) ihre Gedanken über Gott und die Welt und gründet gegen alle männlichen Widerstände das Frauenkloster auf dem Rupertsberg bei Bingen.

Demütige Braut Gottes und kluge Strippenzieherin

Von Trotta entwirft kein opulentes Historienpanorama, sondern das strenge Porträt einer unbeugsamen Glaubenserneuerin. Und Barbara Sukowa streift sich diese Rolle so selbstverständlich über wie die Nonnentracht, hinter deren Schleier Empfindsamkeit und Durchsetzungskraft durchscheinen. Wenn Hildegard nach schwerem Leiden einmal wie wundergeheilt vom Krankenlager aufsteht, nachdem ihrem Ansinnen nachgegeben worden ist, lässt Sukowa einmal die Dualität von der demütigen Braut Gottes und der klugen Strippenzieherin durchschimmern.

Leider deutet der Film in seiner ehrfürchtigen Art zu wenig und verlegt sich ganz auf die möglichst akkurate Wiedergabe von Riten, Sprechweisen und Lebensstationen: Das beginnt mit dem Eintritt der achtjährigen Hildegard ins Benediktinerstift und führt bald zu diesem „heftig lodernden feurigem Licht aus offenem Himmel”, das sie mit 42 Jahren empfängt. So vage, wie die Visionen ins Bild gesetzt werden, ahnt man allerdings eine gewisse Ratlosigkeit der Regie, die sich auf den Zuschauer überträgt. Was soll uns der Film zeigen? Als Biographie einer Unbeugsamen bleibt „Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen” zu brav, als Historienfilm zu speziell. Wie sehr von Trotta die Figur fasziniert, macht der Film aber doch spürbar.