In dieser Welt hilft nur Schweigen: „The Silence“ erinnert an den Netflix-Erfolg „A Quiet Place“. Fledermäuse zwingen hier die Menschen zur Ruhe
Beim Filmemachen spielt das Timing bekanntlich eine entscheidende Rolle. Und das nicht nur innerhalb der Handlung, sondern auch bezüglich der Veröffentlichung. Was das angeht, hat der vom Streaming-Riesen Netflix produzierte Film „The Silence“, salopp gesagt, Pech gehabt.
Zwar begannen die Dreharbeiten nach dem 2015 veröffentlichten Roman von Tim Lebbon schon vor dem Erfolg des thematisch überaus ähnlichen Schelmenstücks „A Quiet Place“, doch nun wird „The Silence“ allerorten als Nachahmer empfunden und mit dem scheinbaren Vorbild verglichen, das in Deutschland rund 384.000 Zuschauer anlockte und eine Oscarnominierung für den Tonschnitt erhielt. Und ja, im direkten Vergleich mit dem Zwillings-Film hat die Version von John R. Leonetti schlechte Karten. Grundsätzlich misslungen ist der atmosphärische Film deswegen aber nicht.
Raus aufs Land
Die Katastrophe beginnt, als Wissenschaftler bei Ausgrabungen in Pennsylvania auf eine bislang unbekannte und höchst aggressive Art von Fledermäusen stoßen. Die urzeitlich anmutenden Biester metzeln das Team nieder, bevor sich ein riesiger Schwarm den Weg an die Oberfläche bahnt. Die laut krächzenden Tiere sind zwar blind, verfügen aber über ein sensibles Gehör und einen ausgeprägten Killerinstinkt.
Nahaufnahme
Regisseur John R. Leonetti inszenierte 2014 den Horror-Hit „Annabelle“ und arbeitete jahrelang als Kameramann.
Kameramann Michael Galbraith sammelte seit 1990 Erfahrungen als Kamera-Assistent, u. a. „Es“ (2017).
Als die Familie Andrews (Foto) aus den Nachrichten von der Bedrohung erfährt, reagieren die Eltern Hugh und Kelly geistesgegenwärtig und fliehen mit der stummen Tochter Ally, dem kleinen Sohn Jude, der Großmutter Lynn und dem Familienfreund Glenn aus der Kleinstadt Montclair bei New York. Das ist durchaus logisch, denn in urbanen Gegenden geht es naturgemäß lauter zu als auf dem platten Land.
Deswegen fegen die Terror-Tiere als Erstes die Städte leer. Doch auch in der Einöde ist die Familie nicht sicher. Nicht nur die Fledermäuse lauern überall, im Endzeitchaos werden auch die Mitmenschen zur Gefahr für Leib und Leben.
Zur falschen Zeit am falschen Ort
Dass der Verleih Constantin den Netflix-Film hierzulande ins Kino bringt, liegt am eingangs geschilderten Erfolg von „A Quiet Place“. Eine Krux am Kinostart von „The Silence“ ist jedoch, dass die allenfalls passablen Computereffekte der häufig ins Bild gesetzten Fledermäuse auf großer Leinwand noch durchschnittlicher aussehen als im Heimkino.
Gegen Ende stockt der Überlebens-Thriller auch erzählerisch, als eine Sekte auf den Plan tritt, die nur eingeschränkt in den bis dahin schlüssig etablierten Ausnahmezustand passen will. Langeweile kommt trotzdem nicht auf. Zum einen überzeugt die Besetzung um Stanley Tucci („Spotlight“), Miranda Otto („I, Frankenstein“) und die Newcomerin Kiernan Shipka („Carriers“), zum anderen die kompetente Inszenierung mit der feinen Kameraarbeit von Michael Galbraith und einem sinnigerweise sparsamen Musikeinsatz.
Und wäre da nicht der stärkere „A Quiet Place“, würde die Prämisse mit dem stillen Grusel glatt als erfinderisch durchgehen.
CAN, D 2019, 90 Min., R: John R. Leonetti, D: Stanley Tucci, Kiernan Shipka, Miranda Otto, Kate Trotter, John Corbett, Kyle Breitkopf FSK 16, Wertung: 3 von 5 Sternen