Berlin. . „Das schweigende Klassenzimmer“ ist bestes Erzählkino mit Botschaft. Der Autor und Regisseur Lars Kraume erweist sich als großartiger Erzähler.

Manche Filme wecken vom Titel her Assoziationen mit berühmten Vorbildern: „Das schweigende Klassenzimmer“, da kommt einem doch sofort Erich Kästners Generationen prägendes Kinderbuch „Das fliegende Klassenzimmer“ in den Sinn – doch inhaltlich ist dieser Neustart der Kinowoche meilenweit von seinem legendären literarischen Vorgänger entfernt . . .

Brisanter historischer Stoff

Denn in „Das schweigende Klassenzimmer“ geht es mitnichten um lustige Schülerstreiche und verbrannte Klassenhefte, sondern um eine schicksalhafte, real existierende Episode aus den DDR-Annalen. Nach dem sehenswerten „Der Staat gegen Fritz Bauer“ über den berühmten hessischen Generalstaatsanwalt wagt sich Autor und Regisseur Lars Kraume erneut an einen brisanten geschichtlichen Stoff. Und erweist sich dabei als großartiger Erzähler.

Stalinstadt (das heutige Eisenhüttenstadt) im Jahr 1956. Dass es in Ungarn einen Aufstand gegen die sowjetischen Besatzer gibt, das erfahren die beiden Abiturienten Kurt (Tom Gramenz, Bild rechts) und Theo (Leonard Scheicher, Bild 2.v.l.) bei einem ihrer geheimen Ausflüge in ein Westberliner Kino aus der Wochenschau.

Der Sonnyboy Theo und der idealistische Kurt beschließen daraufhin, ihre Klasse davon zu überzeugen, im Unterricht eine solidarische Schweigeminute für das ungarische Volk abzuhalten. Die Mehrheit der Primaner ist dafür, nur einige wenige wie Erik (Jonas Dassler) äußern Bedenken.

Druck auf einzelne Schüler

Was die Schüler nicht ahnen konnten: Die Aktion zieht schnell Kreise bis in höchste Regierungsebenen. Immer größer wird der Druck auf einzelne Schüler, ihnen wird von Kreisschulrätin Kessler (Jördis Triebel) und sogar von Volksbildungsminister Lange (Burghart Klaußner) angedroht, der Schule verwiesen zu werden und damit kein Abitur machen zu können, wenn sie nicht eindeutig von ihrer Aktion Abstand nehmen und den oder die Verantwortlichen nennen. Auch die Eltern wie Theos Vater Hermann (Ronald Zehrfeld, Infokasten links) werden einbezogen.

Da hilft auch die Solidarität des Einsiedlers Edgar (Michael Gwisdek) nichts, bei dem die Jugendlichen immer Westradio hören.

Kurt und seine Freunde müssen sich entscheiden: Mut zum Widerstand oder klein beigeben.

Die auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte basiert auf der Buchvorlage von einem der damaligen Abiturienten, Dietrich Garstka, und ist ein Paradebeispiel für Zivilcourage in einem totalitären System.

Was aber den packenden Film erst zu einem Meisterwerk werden lässt, ist die unglaubliche Souveränität, mit der Kraume seine Geschichte erzählt. Wunderbar, wie er seine vielschichtigen jungen Schauspieler charakterisiert, wie er dramaturgisch immer noch eine Schippe drauflegt, wie er die Lebensumstände der einzelnen Familien anreißt – und das in dem vom Schauplatz her sehr glaubwürdigen Umfeld des sozialistischen Vorzeigeortes Stalinstadt.

Das schweigende Klassenzimmer“ ist bestes Unterhaltungskino mit Relevanz.