Essen. Wotan Wilke Möhring als prügelnde Pauker, ein menschenscheue Leichenwäscher, der die Nähe zu den Lebenden meidet: In Köln wurden die Abschlussfilme der Internationalen Filmschule vorgeführt.
In der Woche steht Andreas Vossen als Studienrat vor einer Oberstufenklasse und unterrichtet Ethik. Am Wochenende aber lässt Vossen das Tier in sich heraus: Da drischt er nach dem Fußballspiel mit einer Horde von Hooligans auf die gewaltbereiten Fans der gegnerischen Mannschaft ein. Die Fäuste fliegen, Haut platzt, Nasen brechen. Für Vossen ist das wie ein Rausch, er braucht diesen Adrenalinschub offenbar, um die nächsten sechs Tage Alltag wieder zu überstehen.
„Heimspiel” heißt der Film von Bogdana Vera Lorenz, in dem Wotan Wilke Möhring mit bedrohlicher Präsenz den prügelnden Pauker gibt. Allgemein zugänglich ist dieses starke Stück Film bisher nicht: „Heimspiel” ist der Abschlussfilm einer Studentin im Fach Regie an der Internationalen Filmschule Köln (IFS), einer von sieben des dritten Studienjahrgangs, die dieser Tage im Kölner Kino Cinenova Vertretern der Filmbranche vorgeführt wurden. Eine Veranstaltung, angefüllt mit Hoffnungen: Hier haben die angehenden Regisseure, Drehbuchautoren oder Produzenten die Chance auf Kontakte mit einer Branche, für die sie künftig künstlerisch tätig sein wollen.
Eine Veranstaltung, angefüllt mit Hoffnung
Leicht ist das sicher nicht. Der große Debütfilm, von dem alle träumen, wird für nicht wenige auch schon die letzte eigenständige Arbeit sein. In Deutschland wird viel produziert, aber nur ein Bruchteil der Filme schafft es ins Kino oder Fernsehen, die meisten haben lediglich Festivalpräsenz. „Kleines Fernsehspiel” (ZDF) oder die Debütreihen von WDR oder Südwestrundfunk bieten Möglichkeiten für Anfänger, eine Garantie für weitere Projekte gibt es nicht.
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„Man hat eine Chance”, glaubt Matthias von Schemm, der schon vor zwei Jahren seinen Abschluss gemacht und nun seinen Platz auf der freien Wildbahn sucht. „Du musst dich nur immer wieder einbringen.” Schließlich würden Regisseure überall gebraucht, letztendlich auch bei Game-Shows oder Seifenopern - eine Horrorvorstellung für die enthusiastischen Neulinge. Wenn man einen Preis bekommen hat für seinen Abschlussfilm wie von Schemm, ist das schon mal ein Fundament, auf dem man aufbauen kann. Zur Zeit ist er Nutznießer einer Projektförderung, kann in Ruhe ein Drehbuch entwickeln und hat feste Absprachen mit einem Produzenten.
„Autor sein ist für mich wie träumen, nur aufgeräumter”, meint Moritz Hormel, der an der IFS Drehbuch studiert hat und deshalb einer von denen ist, der seine Abschlussarbeit nur via Lesung vorstellen kann. Aber wer Dialoge aus „Liebestöter” hört, der sieht den Film fast vor sich: Ein menschenscheuer Leichenwäscher meidet die Nähe zu den Lebenden, da er sich für den Tod anderer Menschen regelmäßig schuldig fühlt. Was aber macht so einer, wenn er sich verliebt? Hormel ist auch einer der Glücklichen: Die Bavaria hat ihn zu einem Kurs eingeladen, bei dem Filmstudenten ein Jahr Zeit haben, ihre Bücher bis zur Produktionsreife zu entwickeln.
Der Traum bleibt bestehen
Von denen, die man an diesem Tag in Köln trifft, hätten sicher einige das Zeug, die Talente von morgen zu sein. Peter Hümmeler etwa, der in seinem lakonischen Roadmovie „Soltau” die Flucht eines unheilbar Kranken zum selbstbestimmten Tod in der Nordsee beschreibt. Wie hier die Bilder in Bezug zueinander gesetzt werden und leise Andeutungen starke Schicksale imaginieren, das hat schon den Vorgeschmack von Meisterschaft. Oder Joseph Lippok, der in „Kriegerstock” die Geschichte eines Vaters und seiner Tochter erzählt, die ein Zusammenleben mit dem Demenzkranken, in seine Vergangenheit versunkenen Alten versucht. Dass er Michael Degen und dessen Tochter Elisabeth als Darsteller gewinnen konnte, hat immerhin den Bayerischen Rundfunk bewegt, in das Projekt einzusteigen.
Und auch wenn der ewig junge Altmeister Alexander Kluge das Kino herkömmlichen Zuschnitts angesichts neuer Distributionswege längst verabschiedet hat: Für die Filmstudenten von Köln bleibt der Traum vom großen Spiel- oder Dokumentarfilm bestehen. Und die Sehnsucht, ihn im Kino präsentieren zu können.