Essen. Die Regisseurin Maren Ade beobachtet in ihrem Kinofilm "Alle Anderen" zwei großartige Darsteller bei der Beziehungsarbeit auf Sardinien. Dafür gab es unter anderem silberne Bären bei der Berlinale 2009 und den Regiepreis des Internationalen Frauenfilmfestivals Dortmund / Köln.
Urlaube, das wissen wir entweder aus eigener Praxis oder aus einschlägigen Beziehungsratgebern, können ein Belastungstest für Paare sein. Weil es für eine Weile nur noch das Du und das Ich gibt, die viele freie Zeit und die vielen ungestellten Fragen, die man sonst mit der täglichen hektischen Betriebsamkeit und all den Ablenkungen des Alltags ausklammern kann. Und plötzlich liegt die Sonne wie ein Brennglas über den kleinen Schrunden der Seele, die vielleicht vom langen Verschleiß stammen, oder davon, dass zwei in taktierender Vorsichtigkeit immer noch vorein ander kneifen. Maren Ade hat einen großen kleinen Film daraus gemacht, „Alle Anderen”, der bei den diesjährigen Filmfestspielen von Berlin mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde und Hauptdarstellerin Birgit Minichmayr zurecht den Darstellerinnenpreis einbrachte.
Die große Sterbende und der Kinderschreck
Ein Sommerfilm. Ein Liebesfilm? Vielleicht. Aber einer, der keine falschen Versprechungen macht, dass Sonne, Sex und süßes Nichtstun schon genügen, um dem Glück zu zweit zum ungetrübten Auftritt zu verhelfen. Gitti und Chris, das noch halbwegs frisch verliebte Paar, haben ohnehin mehr Spaß an den neckenden Nickeligkeiten, die noch als Spiel der Liebe durchgehen, aber doch schon erste Kerben ins Herz schlagen.
Vor allem die forsche, fordernde Gitti liebt die kleine Provokation zwischendurch, gefällt sich als polternder Kinderschreck genauso wie als theatralische Sterbende. Als der konfliktscheuere Chris erklärt: „Ich hab über mich nachgedacht”, da höhnt sie nur : „Was gibt's denn da nachzudenken.” Es ist der erste gemeinsame Urlaub im Ferienhaus von Chris' Eltern auf Sardinien. Chris ist ein junger Architekt, der gerade erfahren muss, dass beruflicher Idealismus nicht immer mit der Auftragsrealität in Einklang zu bringen ist. Seine Niederlage verschweigt er Gitti, die als Pressefrau bei einem Musik-Label arbeitet, und sich ihrer Sache auch nicht so ganz sicher ist. Man sucht Intimität, aber man will keine Schwächen zeigen. Als die beiden im Supermarkt auf ein befreundetes, saturiertes Pärchen treffen, verschieben sich plötzlich die Kräfteverhältnisse. Das neckische Verstellen und Vorspielen schaukelt sich für eine Weile dramatisch hoch...
Zuhören und beobachten
Andere Filmemacher hätten nun die große, zugespitzte Wendung gesucht. Maren Ade will keinen Plot, sie will nur genau zuhören, beobachten.
Manches in „Alle Anderen” wirkt wie improvisiert, alltäglich und ist doch Ergebnis langer, penibler Vorarbeit. Ein Dialogfilm, der doch ganz und gar von der imponierenden physischen Präsenz seiner Hautpdarsteller lebt, allen voran Birgit Minichmayr.
Und wie in jeder gewöhnlichen Beziehungs-Geschichte gibt es keine Glücksrezepte und Happy Ends, nur das ewige Auf und Ab, die Triumphe und Niederlagen. Das Du und das Ich. Und die großen Leerstellen dazwischen.