Essen. Am Dienstagabend wurde der rote Teppich vor der „Lichtburg“ ausgerollt: „Krabat“ feierte Europapremiere. Daniel Brühl verlieh der Veranstaltung die Weihen der Prominenz, auch Regisseur, Produzenten und eine Reihe weiterer Darsteller waren gekommen. Den Film hat das leider nicht gerettet.

Der
Der "Meister" (Christian Redl). Foto: Claussen+Wöbke+Putz Filmproduktion /Marco Nagel

Die Vorlage für die bewegten Bilder lieferte „Krabat“, ein Roman von Ottfried Preußler. Der deutsche Kinder- und Jugendbuchautor hat eine sorbische Sage verarbeitet zu einer Parabel über Verführung, Willensstärke und Liebe. Es ist eine Geschichte über das Erwachsenwerden, über falsche Träume und Ernüchterung und den Widerstand gegen menschenverachtende Strukturen. Der Verfilmung allerdings gelingt es, eine starke Romanvorlage, eine gute Besetzung, eine eindrucksvolle Szenerie und eine solide schauspielerische Leistung mit stilistischen Mitteln zugrunde zu richten.

Finsteres Treiben in der Mühle

Einige der
Einige der "Gesellen"-Darsteller posieren vor dem Plakat. Foto: Martina Herzog

Diese Handlung spielt während des Dreißigjährigen Krieges, der Ort ist ein Dorf in Osteuropa. Der junge Krabat (David Kross) zieht bettelnd mit seinen Freunden durch das Land bis er, von einer geheimnisvollen inneren Stimme getrieben, einem Schwarm Raben zu einer einsamen Mühle folgt. Er beginnt eine Lehre beim Müller (gut: Christian Redl) und wird nach einer Probezeit ebenso wie seine Mitgesellen in die schwarze Magie eingeführt. Dass etwas im Argen liegt, lässt schon die Missstimmung unter den Burschen erahnen und die Besuche einer finsteren Gestalt, die in Neumondnächten Knochen für das Mahlwerk liefert. Als in der Silvesternacht Krabats Freund Tonda (Daniel Brühl) stirbt und umgehend durch einen neuen Gesellen ersetzt wird, verliert auch Krabat den letzten Rest Naivität über den Bund, den er eingegangen ist. Aber es bleibt ihm eine Chance zu entkommen: Durch die Liebe eines Mädchens (Paula Kalenberg) und Zusammenhalt können er und die anderen Gesellen erlöst werden.

Krabat (David Kross) und sein Freund Tonda (Daniel Brühl). Foto: Claussen+Wöbke+Putz Filmproduktion /Marco Nagel
Krabat (David Kross) und sein Freund Tonda (Daniel Brühl). Foto: Claussen+Wöbke+Putz Filmproduktion /Marco Nagel

Dieser Erkenntnisprozess, das langsame Dämmern drohenden Unheils hätten sich ganz wunderbar in langsamen Bildern einfangen lassen. Ein Großteil des Films spielt im Herbst und Winter, die Landschaft ist düster und bedrohlich – aber leider hat die hektische Kameraführung keinerlei Muße. Ein schneller Schnitt jagt den anderen. Nur wenige Szenen, wie die Beerdigung Tondas heben sich wohltuend ab. Aber warum hat Regisseur Marco Kreuzpaintner solche Angst vor Gesichtern? An den Schauspielern liegt es nicht. Warum bleibt keine Zeit für einen eindringlichen Blick, warum variiert dieses Tempo aus raschen Wechseln und wirbelnden Schwenks kaum? Bei der sorgfältig ausgestatteten Kulisse, bis ins Detail ausstaffiert, kann das Auge der wieselnden Kamera kaum folgen. Im Ergebnis kommt das alles hektisch daher, als bemühte sich einer, aus der Parabel einen Action-Streifen zu machen. Das wirkt unentschlossen, sprechen Setting und Ausstattung doch eine andere Sprache.

Hektische Kamera und ein Übermaß an Filmmusik

Der Ansturm der Fotografen. Foto: Martina Herzog
Der Ansturm der Fotografen. Foto: Martina Herzog

Farbgebung und Filmmusik unterstreichen diese Aufgeregtheit. Häuser und Kleidung zeigen sich die meiste Zeit in Beige- und Brauntönen. Dämmerlicht genügt den Machern allerdings noch nicht, das alles muss mit viel Effekt zu Blau- und Grautönen verdichtet werden - ohne sich jedoch konsequent für eine künstliche Ästhetik zu entscheiden.

Dabei gibt es gelungene Szenen. Der Flug der Raben, dem der Zuschauer aus der Vogelperspektive über die einsame Winterlandschaft folgt zum Beispiel. Auch bei Krabats erstem Ausflug als Rabe sind wir in der Luft dabei. Es ist der wahr gewordene Traum vom Fliegen. Leider zeigen sich Bilder und Handlung nur selten so stimmig.

Krabat

Deutscher Kinostar: 09.10.2008

Regie: Marco Kreuzpaintner

Darsteller: David Kross, Daniel Brühl, Christian Redl, Robert Stadlober, Paula Kalenberg, Hanno Koffler, Anna Thalbach u.a.

Trailer

Bilder zum Film

Beim Einsatz der Filmmusik das gleiche Elend. Wunderbare Melodien eigentlich, die Annette Focks komponiert hat. Aber auch hier schlägt das Bemühen um: Es ist zu viel. Kaum eine Szene kommt ohne epische Klänge daher, es sind die Ton gewordenen ganz großen Themen, die auch die kleinste Handlung noch mit Bedeutungsschwere überfrachten. Bei einer Szenerie, die soviel an Geräusch hergäbe – warum ertrinkt das alles im Soundtrack? Warum darf das Mühlrad nicht einmal etwas lauter mahlen? Motive wie Einsamkeit und Verlassenheit würden von ein wenig mehr Stille profitieren. Man darf einfach nicht soviel betonte Erdigkeit, soviel Schlamm, Dreck, Schweiß und Natur zeigen und dann alles mit einer erstickenden Musik- und Farbglasur überziehen. Das ist nicht nur ein technischer Einwand, es schmerzt beim Zuschauen. Es ist ein Film, in dem ungeheures Potenzial zu ahnen ist, in dem hinter den tatsächlichen Bildern immer wieder das aufscheint, was hätte sein können - aber nicht ist.