Essen. „Triple 9“ zeigt Machenschaften einer Polizeieinheit im verrohten Atlanta. Das Drehbuch machte es Regisseur John Hillcoat nicht leicht.
Der Australier John Hillcoat hat bisher mit Genrefilmen auf sich aufmerksam gemacht. Ob es nun der Outback-Western „The Proposition“ war, das postapokalyptische Drama „The Road“ oder „Lawless – Die Gesetzlosen“ über Schwarzbrenner zur Zeit der Prohibition – immer erwies sich der Filmemacher als starker Geschichtenerzähler mit Vorliebe für starke Bilder. Nun wagt er sich mit „Triple 9“ in den Bereich des amerikanischen Gangsterkinos. Dabei hatte er es allerdings mit einem Drehbuch zu tun, das zu viele Figuren unterbringen möchte, mit zu vielen Handlungsverästelungen aufwartet. Das macht es Hillcoat nicht gerade leicht, in knapp zwei Stunden solide Charaktere aufzubauen.
Atlanta in Georgia wird hier als großer Sündenpfuhl vorgeführt. Durchseucht von diversen Straßengangs, geknechtet von der Russenmafia, befehligt von deren unbarmherziger Chefin Irina Vlaslov (Kate Winslet). Sie hat ihre Krallen bis in die Reihen der Polizei ausgestreckt, wo man korrupt und ehrlich längst nicht mehr auseinanderhalten kann. Der Cop Michael Atwood (Chiwetel Ejiofor) erweist sich als besonders erpressbar, denn er ist mit Irinas Schwester verheiratet. Und der gemeinsame Sohn wird von der Schwägerin praktisch als Geisel gehalten.
Woody Harrelson gibt den ehrlichen Cop
Gemeinsam mit vier anderen käuflichen Kollegen hat Atwood mehrere Raubüberfälle für die Mafia begangen, jetzt soll als Nächstes eine Bank an der Reihe sein, bei der die Chefin nicht auf Geld aus ist, sondern auf ein paar Schriftstücke im Tresor. Während der Coup völlig aus dem Ruder läuft, formieren sich einige der letzten Vertreter ehrlicher Polizeiarbeit, darunter Detective Jeffrey Allen (Woody Harrelson) und dessen aufstrebender Neffe Chris Allen (Casey Affleck). Hillcoat aber vermeidet vorsätzlich jede Heldenbildung. Romantisierung ist nicht sein Ding, eher schon die Ambivalenz zwischen Helden und Antihelden.
Fast könnte man angesichts der Filmästhetik meinen, der Regisseur habe sich vor Drehbeginn noch einige Male Michael Manns Kinoklassiker „Heat“ angesehen. Der jedoch konnte mit viel mehr Zeit und weniger Personal die Dinge gelassener angehen. Bei Hillcoat müssen sich viele Schauspieler unterfordert vorkommen.
Grimmige Atmosphäre
Wenn der Film schließlich in die Zielgrade einbiegt, hat der Zuschauer einiges an Brutalität hinter sich, ohne dass er bei der grimmigen Atmosphäre der Handlung je einen Ruhepunkt hätte finden können. Und es geht noch weiter: Wegen des Desasters beim ersten Einbruch verlangt Irina allen Ernstes von ihrem Schwager und dessen Leuten einen zweiten Überfall. Die Chance, noch einmal ungeschoren davon zu kommen, tendiert gegen Null. Es sei denn, sie versuchen es mit „Triple 9“, dem Code für den Mord an einem Polizisten. Dafür muss aber erst einmal eine Leiche her – eine Aufgabe, für die sich der eifrige, rechtschaffene Chris Allen geradezu anbietet.
Zwischendurch schwenkt der Film immer mal wieder zur Russenmafia-Chefin, die im Halbdunkel ihrer Wohnung immer noch an ihrem riesigen Davidsternamulett zu erkennen ist. Überhaupt zeigt der Regisseur hier sehr eindringlich, dass es sich bei der Mafia um jüdische Russen handelt.
Oft tragen bloße Angestellte am helllichten Tag die Kippa, kein Lastwagen verlässt seinen Standort ohne Hinweis auf jüdische Herkunft. Als Deutscher ist man da empfindlich, denkt gleich an üble Stimmungsmache. Vielleicht aber will „Triple 9“ die Juden nur sehr alltäglich und menschlich zeigen. Und dann eben auch mit ihrem Anteil an der Kriminalitätsrate.