London. . Im Interview spricht Carey Mulligan (30), Hauptdarstellerin in „Am grünen Rand der Welt“ über Träume, moderne Frauen und ihre Kindheit in Deutschland.

In der Verfilmung des Thomas-Hardy-Klassikers „Am grünen Rand der Welt“ spielt Carey Mulligan eine resolute Gutsherrin, die im viktorianischen England gleich drei gestandenen Männern den Kopf verdreht. Im wirklichen Leben ist sie ihrem Mr. Right längst begegnet: Sie ist mit Marcus Mumford verheiratet, dem Frontmann der britischen Folkrockband Mumford & Sons. Mit ihren 30 Jahren gehört Mulligan schon jetzt zu den gefragtesten Schauspielerinnen der Welt.

Mrs. Mulligan, sind Sie heute schon Bus gefahren?

Carey Mulligan: Nein, warum?

Weil auf vielen Londoner Bussen Ihr Foto zu sehen ist. Doppeldeckergroß.

Mulligan: Oh Gott, tatsächlich?

Natürlich als Werbung für Ihren neuen Film „Am grünen Rand der Welt“. Wenn Sie sich selbst so abgebildet sehen, was geht da in Ihnen vor?

Mulligan: Da freue ich mich erst einmal, dass für den Film so ein großer Werbeaufwand gemacht wird und dadurch möglichst viele Zuschauer ins Kino gelockt werden. Denn ich finde, das hat er verdient. Aber das bin ja nicht ich auf dem Bus, sondern das Porträt der Frau, die ich spiele. Wenn ich tatsächlich einmal ein Foto von mir auf einem Bus sehen würde, wäre das sehr befremdend. Und ich müsste mich wohl direkt in Psychotherapie begeben.

Warum eigentlich? Ist es nicht das, wovon man als Schauspielerin träumt?

Mulligan: Sie meinen, berühmt zu sein und überall erkannt zu werden? Um Gottes Willen! Das wäre wohl das Letzte gewesen, an das ich gedacht hätte, als ich Schauspielerin werden wollte.

Warum wollten Sie es dann werden?

Mulligan: Ich weiß, es klingt fürchterlich nach einem Klischee, aber seit ich mit sechs Jahren meinen Bruder in einer Theateraufführung von „Der König und ich“ gesehen habe, gab es für mich nichts anderes mehr: Ich wollte unbedingt Schauspielerin werden. Dieser Wunsch wurde mit den Jahren sogar immer stärker, was meine Eltern zunehmend an den Rand der Verzweiflung trieb. Als ich ihnen mit 16 Jahren sagte, dass ich jetzt ernst machen würde, war das eine mittlere Katastrophe.

Was genau hat Sie denn so fasziniert?

Mulligan: Einfach alles. Für mich strahlte die Welt des Theaters und später auch der Film etwas Magisches und Geheimnisvolles aus. In diese Welt wollte ich mit Haut und Haar eintauchen.

War es nach der depressiven Hausfrau in „Drive“ und der selbstmordgefährdeten Schwester in „Shame“ jetzt an der Zeit, mal eine starke Frau zu spielen?

Mulligan: Vielleicht. Bathsheba ist eine sehr moderne Frau, die im viktorianischen England eigentlich nichts zu suchen hat. Sie hat große Ambitionen, die sie mit viel Eigensinn bis hin zur Starrköpfigkeit durchzusetzen weiß. Darin sind wir uns übrigens nicht ganz unähnlich. Außerdem ist sie authentisch, wahrhaftig und lässt sich in einer männerdominierten Welt nicht vorschreiben, was sie zu tun oder zu lassen hat.

Sie haben als Kind längere Zeit in Deutschland gelebt. . .

Mulligan: Ja, ich habe als Kind, im Alter von drei bis sieben Jahren, mit meinem Bruder und meinen Eltern erst in Hannover und dann in Düsseldorf gelebt. Da mein Vater als Hotel-Manager arbeitete, konnten wir auch immer in diesen tollen Luxus-Hotels wohnen. Das war für uns Kinder natürlich ein wahres Eldorado. Wir sind wie wild durch die Gänge gestromert und haben uns mit Vorliebe in den Zimmern versteckt, aus denen die Gäste gerade ausgecheckt hatten. Bis mein Vater das spitzkriegte. Da gab es ein großes Donnerwetter. Und das Höchste für mich war, beim Zimmerservice Wiener Schnitzel zu bestellen.