Essen. In dem Science-Fiction-Film „Das Zero-Theorem“ von Kult-Regisseur Terry Gilliam („12 Monkeys“) spielt Oscar-Preisträger Christoph Waltz ein menschenscheues Computer-Genie, das ein komplexes Problem lösen will: Was ist der Sinn des Lebens? Doch dazu müsste er sich auf andere Menschen einlassen.
Terry Gilliam ist ein Kultregisseur. Seine Filme gehören zum festen Bestandteil dessen, was als modernes kulturelles Erbe begriffen wird. Auch Gilliams neuer Film lässt schon wegen seines bizarren Titels aufhorchen. Außerdem ist „Das Zero Theorem“ in naher Zukunft angesiedelt und insofern dem Genre der Science Fiction zuzuordnen. Erinnerungen an „Brazil“, Terry Gilliams amüsanten, verstörenden anti-utopischen Großfilm aus dem Jahre 1984, sind beabsichtigt, sobald „Das Zero Theorem“ seine futuristische Bildwelt eröffnet.
Einerseits gibt es konstruktivistische Bauformen mit viel Stahl und Gusseisen, andererseits lauert in jedem Winkel HighTech zum Zwecke von Zerstreuung und Überwachung. Es wäre keine Überraschung, wenn man in dieser Welt auch einem Roboter mit Schornstein begegnen würde. Dann kommt Christoph Waltz ins Blickfeld und seine Erscheinung hat nichts mit den sardonischen Auftritten bei Quentin Tarantino gemein.
Waltz spielt Qohen Leth, einen begnadeten Programmierer und Mathematiker, der in einer ausgebrannten Kirche wohnt und dort am Computer verzwickte Aufgaben im Dienste einer Firma, die mit dem Super-Computer „ManCom“ Internet und Cyberspace kontrolliert. Qohen Leth wartet dringend auf einen Anruf, und zwar seit Jahren schon.
Persönliche Tragödie
Dieser Anruf soll Linderung verschaffen im Blick auf eine persönliche Tragödie, an deren traumatischen Folgen Qohen seither laboriert. Um die Wartezeit zu überbrücken und den eigenen Ehrgeiz zu befriedigen, arbeitet er verbissen am Zero Theorem, einem mathematisch-philosophischen Merksatz, dessen Lösung mindestens den Sinn des Lebens offenbaren würde. Es gibt jedoch Leute, denen das nicht in den Kram passen würde, weshalb sie Qohens Arbeit zu sabotieren trachten. Dafür schicken sie ihm eine verführerische Frau ins Haus, aber auch den rebellischen Sohn des Firmenchefs.
Die Kurzgeschichte eines Universitätsprofessors aus dem Jahre 1999 bildet die früheste Inspirationsquelle für einen Film, der zwar in der Zukunft spielt, aber aussieht, als sei er zur Mitte der 90er-Jahre während einer Hipster-Mottoparty begonnen und im Katertaumel unmittelbar danach fertig gestellt worden. Terry Gilliam hat ein Faible für clowneske Gestalten, Zwerge und Riesen, grelle Make-ups und bizarre Verkleidungen.
Christoph Waltz läuft die meiste Zeit in einer Art Ganzkörper-Strampelanzug herum und sieht dabei aus wie ein Till Eulenspiegel des Cyber-Punks, denn am Rücken gibt es eine Muffe zum Andocken eines Schlauchs, der geradewegs zu einer Schnittstelle am
Computer führt, die geradewegs ins Technicolor-Orange des Südseeidylls von „South Pacific“ führt. Hier wartet die schöne Französin Melanie Thierry mit dem koketten Augenaufschlag einer erwachsen gewordenen Lolita auf Qohens Besuch, um ihm bei ewig gleichem Sonnenuntergang am Strande die Freuden sinnlich empfundener Zuneigung schmackhaft zu machen. Was ihr nachhaltig gelingt. Es gibt viele feine Momente in diesem Film, begründet durch Terry Gilliams visuellen Einfallsreichtum und die ungebremst auftrumpfenden Schauspieler, darunter auch Matt Damon und David Thewlis in bizarr ausgestalteten Gastrollen. Die Stärken des Films sind aber auch seine Schwächen. Es fehlt an dramatischer Verdichtung und klarer Zielsetzung. Stattdessen grassieren erzählerisches Chaos und ungestümer Aufbruch zurück in die 80er. Es ist die Retro-Vision dessen, was einmal radikales, zukunftsweisendes Kino war.
Wertung: drei von fünf Sternen