Bochum. . Ein Pfennigartikel erobert die Welt: Kinder aller Altersklassen knüpfen und tauschen Schmuck aus einfachen Gummibändern. Auch Väter tragen die Armbänder - und Prominente wie Kate Middleton. Schon für 6 Euro bekommt man ein Set mit 600 Gummiringen. Viel mehr braucht man nicht, um „anzubändeln“.
Sie suchen immer noch den Sommerhit 2014? Den hören Sie in diesem Jahr nicht im Radio, Sie finden ihn auf Schulhöfen und in Kinderzimmern. Der Sommer gehört kleinen runden Gummis. Millionen Kinderhände zwischen Adelaide und Erkenschwick knüpfen daraus bunte Armbänder zusammen.
Mit Kinderarbeit hat das alles aber nichts zu tun. Sie machen das freiwillig. Kaum ein Handgelenk der Fünf- bis 14-Jährigen kommt ohne eines dieser Loom-Armbänder aus. Meistens tragen sie sogar zwei oder drei oder zehn.
600 Rubberbands kosten etwa 6 Euro
In den USA nahm der Trend, der auch in Deutschland angekommen ist, im vergangenen Jahr seinen Anfang. Ein Maschinenbauer aus der Nähe von Detroit hatte seine beiden Töchter dabei beobachtet, wie diese mit viel Geschick einfache Haushaltsgummis verknoteten. Die Idee entwickelte er weiter.
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Er entwarf bunte Gummiringe und ein simples Webbrett mit dem Namen „Loom“. Wenig später tauchten in Amerika die ersten Loom-Armbänder im Straßenbild auf. Dann kam auch noch königlicher Beistand dazu. Während ihres Neuseeland- und Australienbesuchs im April wurde Herzogin Kate mit einem solchen Plastikband am Handgelenk abgelichtet. Was sie trägt, wird Trend.
Dabei handelte es sich in diesem Fall um das Gegenteil der Kronjuwelen: Es ist ein Pfennigartikel, der Kates Luxus-Outfit komplett machte. Eine Packung mit 600 Rubberbands, wie die Gummis genannt werden, kostet im Spielzeug- oder Bücherladen rund 6 Euro. Für ein original Rainbow-Loom-Set mit dem Webbrett Loom, 600 Rubberbands, einer Häkelnadel und Verschlussclips werden rund 20 Euro fällig.
„Es gibt auch günstige Kopien, aber die kommen an das Original nicht heran“, sagt Bastelexpertin Heike Roland. Zusammen mit ihrer Kollegin Stefanie Thomas hat sie zwei Bücher über den Trendschmuck herausgegeben. Ein drittes ist in Arbeit.
Schon Vierjährige knüpfen los
Man muss kein Bastelmeister sein, um aus den Gummis ein tragbares Armband anzufertigen. Und das Webbrett ist dazu auch nicht zwingend notwendig. „Schon Fünfjährige knüpfen auf Bleistiften oder auf ihren Fingern Bänder mit Fischgrätenmuster“, sagt Roland. Ja, sogar Vierjährige, wenn sie flinke Finger haben. So wie Philippa: „Ich habe schon mehrere Bänder gemacht, vor allem mit meiner Lieblingsfarbe Blau. Eins habe ich für meinen Kindergartenfreund Jarno gemacht, und Valentin bekommt auch noch eins geschenkt.“
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Was früher Freundschaftsbändchen aus Wolle waren, sind heute die Loom-Bänder. Die bunten Wolldinger sind damals von der Zeit, vom Duschen und von Wolfgang Petry nach und nach verhunzt worden. Die Nachfolger können zumindest nicht ausfransen: „Das Gummi hält etwa ein halbes Jahr. Dann wird es langsam porös“, sagt die Bastelbuch-Autorin.
Philippa hat sich den geschickten Umgang mit den Gummi-Ringen bei ihrer großen Schwester Helen (6) abgeschaut. Die sagt, dass sie ein Armband in ungefähr einer halben Stunde fertig hat. Und hier steckt wohl ein Teil des Erfolgsgeheimnisses: Die Kinder halten schnell ein fertiges Ergebnis ihrer Arbeit in der Hand. Da dürfte die alte Strickliesel vor Neid platzen.
Heike Roland kennt aber noch mehr gute Gründe für einen Trend, der womöglich länger anhält als einen Sommer lang: „Es gibt unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten. Die Kreativität wird angeregt, das Material ist angenehm und man kann es mit Freunden machen oder unterwegs.“
Auch Kate Middleton und David Beckham sind mit einem gesichtet worden
Selbst die Erwachsenen lässt das Band-Fieber nicht kalt. Väter tragen den selbst gemachten Schmuck, weil sie ihn von ihren Töchtern geschenkt bekommen, gerne in den Farben ihres Fußballvereins. Und wenn es der Job verlangt, sogar zum Anzug: „Mein Mann arbeitet in einer Bank. Dort haben fast alle Kollegen inklusive des Chefs so ein Gummiband am Handgelenk“, erzählt Roland. Spätestens seit auch Stilvorbild und Vierfach-Vater David Beckham sowie Teenie-Idol Miley Cyrus „anbändeln“, geht die Bastelei um die ganze Welt.
Eltern betrachten das plötzliche Interesse ihrer Kinder an einer Handarbeit recht wohlwollend. Mit Erleichterung sehen sie, dass sich Tochter oder Sohn fernab von Smartphones oder anderen Bildschirmen prima beschäftigen können.
Wer weiß, vielleicht macht mancher Nachwuchsknüpfer mit seiner bunten Spinnerei sogar ein Geschäft. Denn auch Tierchen, Figuren oder größere Teile können aus den Gummibändern hergestellt werden. Im Internet-Auktionshaus Ebay steht derzeit ein Damenstiefel, Größe 38, zum Verkauf. Der Schaft besteht komplett aus Rubberbands. 1122 Euro bei Sofortkauf.
In Büchern werden die verschiedenen Technikern erklärt
Anleitungen finden sich im Internet, beispielsweise auf Youtube. Ausführliche und benutzerfreundlich bebilderte Erklärungen für verschiedene Techniken gibt es in Büchern, z.B. „Rubberbands!“ und „Rubberbands! Charms“, Heike Roland und Stefanie Thomas, Frech-Verlag, je 8,99 €.
Die ersten Kritiker melden sich schon
Inzwischen melden sich auch schon die ersten Skeptiker zu Wort: Umweltschützer warnen, dass der Silikonschmuck nicht zu recyceln sei, wenn er aus der Mode kommt und weggeworfen wird oder kaputt geht und deshalb im Müll landet. Erwachsene sollten darauf achten, dass Kinder die Kleinteile nicht verschlucken.