Karstädt. Schnauzer, Hut, Pfeife: Die jungen Männer tragen und nutzen heute gerne Dinge, die bislang eher als spießig und alt galten. Und jetzt haben sie auch noch die Aktentasche für sich entdeckt. Bei Geschäftsmännern und Studenten ist sie gleichermaßen angesagt und sogar als Freizeitaccessoire beliebt. Und die Frauen ziehen nach.
In den 60er Jahren hat nahezu jeder Mann eine Aktentasche besessen, vom Arbeiter bis zum Unternehmensführer. Dabei war sie mehr als nur Transportmöglichkeit für Brotbüchse, Terminkalender und Geschäftspapiere. Es war das Erkennungsmerkmal des berufstätigen Mannes. «Mit der Zeit verblasste das Statussymbol und verkam schließlich, als Lehrer- oder Arzttasche verpönt, zum Inbegriff der Spießigkeit», skizziert Bernhard Roetzel, Buchautor und Modeexperte aus Karstädt (Brandenburg), den Untergang des Klassikers. Kein endgültiger Untergang – die Aktentasche ist zurück.
Ihr Comeback hat sie den Hipstern zu verdanken, sagt Gerd Müller-Thomkins, Geschäftsführer des Deutschen Mode-Instituts (DMI) in Köln. «Mit der Sehnsucht dieser retroorientierten, urbanen Mittelschicht nach der vermeintlich besseren Zeit, wurde die Aktentasche – genauso wie die Hornbrille oder der Hut – wieder populär.» Die 60er Jahre – Hochzeit der Aktentasche, geprägt durch Beständigkeit und beflügelt vom Wirtschaftswunder – gelten als diese vermeintlich bessere Zeit.
Aktentasche hat ihr starres Äußeres abgelegt
Doch heute ist die Aktentasche längst nicht mehr nur Symbol der arbeitenden Klasse. Bei Geschäftsmännern und Studenten ist sie gleichermaßen angesagt und sogar als Freizeitaccessoire beliebt. Nicht mehr nur Männer, auch Frauen tragen sie. Die «Hera Business Aktentasche» von Mandarina Duck etwa wirkt durch den schmalen Metallverschluss besonders weiblich, genauso wie die nach unten etwas breiter werdende «Montpellier 2515 Businesstasche L» von Leonhard Heyden.
Mit ihrem Revival hat die Aktentasche ihr starres Äußeres abgelegt. «Sie ist modischer geworden», hat Sabrina Vogel, Marketingbeauftragte des Onlineshops Taschenkaufhaus.de mit Sitz in Leipzig beobachtet. Dem kastigen Design von früher stehen heute sportiv lockere Modelle gegenüber. «Zugleich wird die Mode immer gradliniger», erläutert Vogel. «Man könnte also sagen, Aktentasche und Mode nähern sich einander an.»
Klassische Aktentasche aus Leder nach wie vor beliebt
Modelle, bei denen Materialien gemixt werden, sind daher längst keine Seltenheit mehr. Bei der Businesstasche «Swiss Cross Messenger» von Strellson werden zum Beispiel Rindsleder und bourdeauxfarbenes Filz kombiniert. «Die Mode lebt von solchen ästhetischen Brüchen», sagt Müller-Thomkins.
Der Blick auf die Verkaufszahlen verrät jedoch, dass die klassische Aktentasche aus Leder nach wie vor am häufigsten im Warenkorb landet. Besonders beliebt seien Taschen mit Leder-Patina im Vintagelook, sagt Taschenexpertin Sabrina Vogel. Vom Design an alte Schulranzen erinnern etwa die Modelle «Fella» und «Big Finn Vintage» von Aunts & Uncles.
Claudia Schulz vom Bundesverband der Schuh- und Lederwarenindustrie in Offenbach wundert dieser Retrotrend nicht: «Leder ist ein natürliches und sehr wertvolles Material, das sich, weil es weich ist, angenehm tragen lässt, und zugleich Stil und Klasse ausstrahlt – insbesondere, wenn die natürliche Narbung des Leders zu erkennen ist.» Edle Beschläge, Reißverschlüsse oder Knöpfe heben diese Wirkung genauso hervor wie die Patina, die das Leder mit der Zeit erhält.
Besonders gefragt: Brushleder
Zugleich verweist Schulz auf die Beständigkeit des Materials: «An einer solchen Tasche hat man bei richtiger Pflege lange Freude.» Auf eine gute Imprägnierung sollte daher kein Ledertaschenliebhaber verzichten. «Ansonsten genügt es, die Tasche hin und wieder mit einer farblosen Schuhcreme zu behandeln», erläutert Schulz. Wird das Lieblingsstück für einen längeren Zeitraum nicht genutzt, darf es gerne im Schrank verstaut werden – «mit Zeitungspapier ausgestopft und von einem weichen Flanell-Etui geschützt».
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Besonders gefragt sei momentan Brushleder. Dabei handelt es sich um Glattleder, das hochglänzend geschliffen wird. «Während bei diesen Glattledertaschen im meist kastigen Design eher dunkle Farben wie Schwarz oder Oxblood im Trend liegen, haben bei den Vintage-Varianten warme Brauntöne die Nase vorn», berichtet Taschenexpertin Schulz.
Die Taschen müssen funktional sein. «Außen sind Aktentaschen zumeist gradlinig, auf das Wesentliche reduziert», erklärt Sabrina Vogel. Das Innenleben sei hingegen praktisch angelegt. Die «Cargo Aktentasche Large» von Bugatti zum Beispiel hat ein zweifach unterteiltes Hauptfach, herausnehmbare Federmappen und Laptophüllen sowie Schlaufen für Stifte. Die kann auf einen Trolleykoffer gesteckt werden, und sie hat Standfüße am Taschenboden sowie einen stabilem Tragegriff und einen verstellbaren Schultergurt.
Tasche muss farblich auf die Schuhe abgestimmt sein
Letzterer hat sich längst als praktische Ergänzung zum typischen kurzen Tragegriff durchgesetzt. «Ein ganz neuer sich abzeichnender Trend sind Modelle, die man sich wie einen Rucksack auf den Rücken schnallt», erläutert Vogel. Die «College Aktenmappe» von Jost etwa verfügt sowohl über einen Tragegriff als auch über einen abnehm- und verstellbaren Schulter- und Rucksackgurt.
Wenngleich Modeexperte Bernhard Roetzel den Wunsch nach Funktionalität insbesondere bei der Aktentasche nachvollziehen kann – ist sie doch oft nicht bloß modisches Accessoire. Sie muss einen Zweck erfüllen. Und so kommt Roetzel nicht umhin festzustellen, dass «praktisch ja oft das Gegenteil von elegant» ist.
Daher gibt er insbesondere allen Geschäftsfrauen und -männern einen modischen Tipp: «Braune Schuhe – braune Tasche, schwarze Schuhe – schwarze Tasche. Das ist ganz wichtig», erläutert der Modeberater. Die Tasche muss immer farblich auf die Schuhe abgestimmt sein. Wer Schuhpaare in verschiedenen Farben hat, sollte sich entsprechend zwei oder drei Aktentaschen zulegen. (dpa)