Essen. Mit „Mass Effect: Legendary Edition“ sind drei der einflussreichsten Videospiele in aufgebohrter Form erneut veröffentlicht worden.

Bei Musikern ist es ein bekanntes Phänomen: Wenn die Karriere ein wenig ins Stocken geraten ist, wird häufig ein „Greatest Hits“-Album auf den Markt gebracht, um an ruhmreichere Zeiten zu erinnern. Oftmals mit zwei, drei neuen Songs, um auch Fans, die schon alle Werke besitzen, zum Kauf zu animieren.

Etwas vergleichbares hat Electronic Arts jetzt mit „Mass Effect: Legendary Edition“ praktiziert. Die letzten beiden Titel des Entwicklerstudios „Bioware“ – nämlich „Mass Effect Andromeda“ und „Anthem“ – waren ziemliche Flops. Was liegt also näher, als drei der einflussreichsten Titel der Videospielgeschichte ein wenig neuen Glanz zu verleihen und als Sammlung zu veröffentlichen. Doch hat sich die Frischzellenkur für die ersten drei Teile der „Mass Effect“-Serie auch gelohnt?

Trotz Überarbeitung ist „Mass Effect: Legendary Edition“ teils antiquiert

Auf den ersten Blick definitiv ja. Naturgemäß profitiert der erste Teil am meisten von der Überarbeitung, das Original ist immerhin schon 14 Jahre alt. Doch schaffen es auch der neue grafische Glanz und einige Verbesserungen bei der Steuerung nicht, das Alter des Spiels komplett zu kaschieren. Gemessen an aktuellen Titeln wirkt vieles doch arg antiquiert, seien es die Bewegungen der Charaktere oder die Gesichtsanimationen. Denn anders als zum Beispiel bei der Neuauflage des ersten Teils der „Mafia“-Serie im vergangenen Jahr wurde bei „Mass Effect“ darauf verzichtet, das Spiel von Grund auf neu zu gestalten und praktisch nur die Handlung auf ein modernes Gerüst zu stülpen. Bei der „Legendary Edition“ wurde das vorhandene Spiel beibehalten und an vielen Ecken – immerhin merklich – aufpoliert.

Also Projekt gescheitert? Nein, denn einem Aspekt konnte der Zahn der Zeit nichts anhaben: der Handlung. Bis heute ist „Mass Effect“ ein Meilenstein, was die Verknüpfung von Handlung und Interaktivität betrifft. Der Spieler übernimmt die Rolle von Commander Shephard, der die Galaxie vor der Bedrohung durch eine fremde Rasse – die Reaper – beschützen soll. Dazu muss er (oder sie, denn der Spieler darf das Geschlecht von Commander Shephard auswählen) ein antikes Artefakt finden und Allianzen mit verschiedenen außerirdischen Lebensformen eingehen.
Mit wem man paktiert und ob man lieber ehrenhaft oder hinterhältig vorgeht, das steht im freien Ermessen des Spielers. Bis heute gibt es nicht viele Titel, die dem Spieler eine derartige Vielfalt an Entscheidungsmöglichkeiten bieten, deren Konsequenzen sich teils erst Dutzende Stunden später zeigen.

Ende des dritten Teils enttäuschend

Natürlich profitieren auch die Teile zwei und drei von „Mass Effect“ von der Überarbeitung, aber grafisch naturgemäß nicht so stark wie der erste Titel. Ein Vorzug von der Bündelung aller drei Titel zu einer Kollektion ist, dass man merkt, wie deutlich die Handlung auf eine Trilogie ausgerichtet wurde. Auch wenn das Ende des dritten Teils – ohne zu viel vorab zu verraten – auch mit mehreren Jahren Abstand immer noch eine herbe Enttäuschung ist.

Doch bis man dies erlebt, muss man einiges an Zeit investieren: wenn man alles erleben und jeden Winkel des Weltraums absuchen möchte, sind 200 bis 250 Stunden ein realistischer Rahmen. Da relativiert sich auch der Anschaffungspreis von circa 70 Euro, ein – zum Glück in vielen Orten wieder möglicher – Kinobesuch hat ein deutlich schlechteres Preis-/Leistungsverhältnis. Vor allem, weil in der „Legendary Edition“ auch sämtliche Erweiterungen enthalten sind, die bei der Erstveröffentlichung der Spiele zumeist kostenpflichtig waren.

Dennoch ist es schade, dass man über Bioware in den letzten Jahren praktisch nur in der Vergangenheitsform geredet hat. Es ist zu hoffen, dass dem Studio erneut ein Titel gelingt, der den Vergleich zu den Klassikern nicht scheuen muss. Sonst hat man in 14 Jahren kein Spiel, das man in aufgebohrter Form erneut auf den Markt bringen könnte.

Infos zum Spiel:

Die „Mass Effect: Legendary Edition“ beinhaltet die ersten drei „Mass Effect“-Teile und deren Erweiterungen. Lediglich der Multiplayer-Modus von Teil drei ist nicht enthalten, wird aber eventuell durch ein Update nachgereicht.
Die Kollektion ist erhältlich für Playstation 4, Xbox One und PC. Der Titel wurde von der USK für Spieler ab 16 Jahren freigegeben.