Hattingen. Eigentlich ist Eisstockschießen eine ernsthafte bayerische Sportart. Plötzlich boomt sie als Freizeitspaß. Was zu beachten ist, um dabei zu sein.
Sie kamen, sahen und lärmten. „Was trinken wir für einen Schnaps?“ ist nahezu die erste Frage, als an diesem Samstagabend rund 20 ausgesprochen aufgeräumte Frauen und Männer in einer Eisstockanlage in Hattingen ankommen: mit Bahn, Tischen und Stühlen, Grill und Ausschank. Hier beginnt für die jungen Leute, man ahnt es schon, ein vielversprechender Abend.
Und noch bevor die Antworten auf die Schnaps-Frage auf dem Tisch stehen, ist auch schon die Aufteilung der Gruppe in gegnerische Teams – nicht nur geregelt, sondern bereits wieder neu geregelt.
„Die erste Saison lief überraschend gut“
Zweien der Teams waren nämlich zwei Paare zugelost worden. „Veto!“, rufen da gleich mehrere Betroffene. Keine Paare zusammen. Prost! Auf diesen Abend! Eisstocksport wird dann auch noch getrieben.
Irgendwann schon 2017 hat Campingplatzbetreiber Falk Lenartz hier am Ufer der Ruhr das Sommergeschäft Minigolf mit dem Wintergeschäft Eisstockschießen flankiert. Mit einer mobilen Kunststoffbahn. „Die erste Saison lief überraschend gut“, erinnert sich der 32-Jährige. Und auch die jetzige: an Wochenenden oft ausgebucht, viele Weihnachtsfeiern; jetzt, im Januar, viele Geburtstage und Kindergeburtstage.
Als bunter Abend geht es immer
„Es macht Spaß, und man kann es in der Gruppe machen“: So erklärt Lenartz sich den Trend. Anbieter gab und gibt es auch in Witten, Düsseldorf und Essen, wo einer auf seiner Internetseite stehen hatte: „Da die Nachfrage groß ist, wird eine frühzeitige Reservierungsanfrage empfohlen.“
Eisstockschießen ist das neue Kegeln. In der organisierten Vereinsform geht es bergab. Als bunter Abend geht es immer. Mit Eisstock sogar steil bergauf. „Du denkst immer, vielleicht bleibt diesmal einer hängen, aber es bleibt nie einer hängen“, sagt Barbara Wolf-Dohmen.
Die Landesobfrau ist das Mädchen für alles
Und was ist Ihre Funktion, Frau Wolf-Dohmen? „Der Depp“, sagt die 58-Jährige Krefelderin entschieden. Denn als Landesobfrau für Eisstockschießen in NRW ist sie das Mädchen für alles; in dieser Geschichte dazu da, zu klären: Eisstocksport, wäre das etwas für mich?
„Einfach kommen und mitmachen“, sagt Wolf-Dohmen. 13 Vereine gibt es in Nordrhein-Westfalen (www.lev-nrw.org), darunter in Dortmund, Duisburg und Essen. Anfänger seien immer willkommen, sagt die Obfrau; und weil das Sportgerät dann doch recht teuer ist, könne man es für ein paar Schnupperbesuche auch ausleihen. „Die meisten Vereine haben eine Grundausstattung.“
Schnell mit 500 Euro dabei
Der Körper des Eisstocks kostet nämlich etwa 230 Euro, der Stiel 50 Euro, die Laufsohlen je 30: Unterschiedliche Laufsohlen unten am Eisstock bewirken unterschiedliche Geschwindigkeiten auf dem Eis. „Wenn man alles selbst anschafft, ist man schnell bei 500 Euro und hat noch nicht so viel.“
Also: kommen, ausleihen – und erst, wenn Sie sicher sind, ja, das ist es: investieren. Spezielle Eisstockschuhe gibt es auch noch, „aber wenn man anfängt, reichen Turnschuhe. Ist halt kalt“, sagt Wolf-Dohmen. Braucht man noch was? „Eine warme Jacke und ein bisschen Verstand.“
Eine Art Boccia auf Eis
Denn das hier ist ein Präzisionssport, eine Art Boccia oder Boule auf Eis: Die Eisstöcke müssen in ein Zielfeld gelangen und darin möglichst nah an die Daube, eine Gummischeibe mit Loch. Man kann unterwegs befreundete Stöcke rankitschen und gegnerische wegkitschen, braucht Auge und Übersicht.
Doch als ernsthafte Sportart hat Eisstockschießen es gerade nicht leicht in NRW, hat Probleme, Nachwuchs zu gewinnen und auch Probleme mit den Spielflächen: „Versuchen Sie mal, Eis zu bekommen. Eis ist rar gesät.“ Früher ging die Dorfjugend im Winter zum zugefrorenen Teich, denn Eisstockschießen war ihre einzige Ablenkung – heute friert nicht einmal mehr der Teich zu.
Warnung vor Übermut: Kommt ein Eisstock geflogen
Ob Sport oder Spaß, eines ist zu beachten: Ein Eisstock ist kein Federball. „Das ist nicht ganz unkritisch: Wenn Leute ein bisschen beschwipst sind, stellen sie sich gern dahinter“, sagt Barbara Wolf-Dohmen.
Gerade in lockerer Runde und zu fortgeschrittener Zeit kann der Eisstock auch mal nach hinten losgehen, und dann kommen da mehr als fünf Kilo geflogen. Also: nie dahinterstehen. Eine ebenso schlechte Idee sei es, den Fuß hinzuhalten, wenn der Eisstock kommt: „Je nachdem, welchen Zahn der drauf hat.“ Aua.