Hakan will eigentlich Unternehmer werden. Doch eines Tages gelangt er im Geschäft seinen Ziehvaters an ein Hemd, welches ihn unverwundbar macht

Gleich in der ersten Sekunde bekommt unser Held eine Kugel in den Kopf. So scheint es zumindest. In Wirklichkeit prallt das Geschoss an ihm ab. Denn der junge Mann, der hier in der Schusslinie steht, hat Kräfte, von denen er selbst noch nichts ahnt. Er ist die praktisch unverwundbare Hauptfigur der ersten türkischen Netflix-Serie „The Protector“ – eine waschechte Superhelden-Show.

Was zum jetzigen Zeitpunkt bemerkenswert erscheint, denn anders als auf der großen Kinoleinwand tun sich Superhelden beim Fernsehpublikum derzeit schwer. Netflix hat gerade erst drei, zumindest bei Comic-Fans beliebte Serien eingestellt: „Iron Fist“, „Luke Cage“ und auch „Daredevil“ werden über ihre aktuellen Staffeln hinaus nicht verlängert. Stellt sich nach einem langen Boom nun eine Superhelden-Müdigkeit ein?

Das Schicksal schlägt zu

Von Müdigkeit möchte der ehrgeizige Hakan (Çağatay Ulusoy, Foto links) zunächst einmal nichts wissen. Ein richtiger Höllenjunge will er sein, aufgewachsen ohne seine leiblichen Eltern in den ärmeren Vierteln Istanbuls. Ein Beißer. Dazu ein Womanizer. Seine Statur hätte ihm auch locker eine Boxerlaufbahn bescheren können, aber er arbeitet gediegen im Antiquitätenladen seines Ziehvaters mit und träumt in seiner Freizeit von einer großen Unternehmerkarriere. Das Schicksal aber hat anderes mit Hakan vor. Im Besitz der Antiquitätenhandlung befindet sich nämlich ein begehrtes Kleidungsstück. Was wie ein unscheinbares Hemd anmutet, verleiht seinem Träger ungeahnte Kräfte: Es macht unverwundbar.

The Protector Netflix Serie
The Protector Netflix Serie © Netflix

Nach nur ein paar unübersichtlichen Handlungssprüngen trägt Hakan es am Leib. Sein Ziehvater jedoch ist tot. Ermordet von denselben finsteren Kräften, die von Beginn an hinter dem ominösen Oberteil her waren. Die Einführung in sein künftiges Leben als Beschützer Istanbuls erhält er von einer Geheimgruppierung, ihr gehört auch die charismatische Zeynep (Hazar Ergüçlü, Foto rechts) an. Zeynep weist ihn unter anderem in Martial-Arts-Künste ein und faltet das zur Selbstgefälligkeit neigende, dabei jedoch stets sympathische Superhelden-Großmaul erst mal ordentlich zusammen.

Postkartentaugliche Kulisse

Diese heiteren und durchaus gelungenen Szenen verweisen schmerzlich auf eine der Schwachstellen der Serie: Ihr Held Hakan weiß trotz seines Underdog-Charmes nicht recht zu überzeugen. In viriler Lässigkeit groovt er sich durch die sich nur leidlich voran schleppende Handlung vor einer stets postkartentauglichen Istanbul-Kulisse. Ein paar mehr Ecken und Kanten hätten der Szenerie und dem Helden gut gestanden.

Die erwähnte Superhelden-Müdigkeit scheint an vielen Stellen der Serie auch Hauptdarsteller Çağatay Ulusoy ergriffen zu haben, sodass man sich schnell seinen weiblichen Sidekick Zeynep herbeiwünscht – die stille Hauptfigur in „The Protector”. Vielleicht ist es also gar kein Überdruss an Superhelden, den das Publikum derzeit verspürt, sondern nur der Wunsch nach neuem Superhelden-Personal. Wonderwoman und Jessica Jones machen es vor. Gegenüber seiner weiblichen Weltenretter-Konkurrenz wirkt Beschützer Hakan wie ein schwerfälliges TV-Fossil.

The Protector
Zehn Episoden, je 42
Minuten, Online-
streaming, Netflix Wertung: 2 von 5 Sternen