Die düstere Serie aus Polen spielt in einer Welt, in der der Kalte Krieg niemals geendet hat. „1983“ ist ein packender und vielschichtiger Thriller.
Wie sähe die Welt heute aus, hätte der Kalte Krieg niemals geendet? Dieser Frage geht die polnische Netflix-Serie „1983“ nach. Ausgangspunkt der düsteren alternativen Geschichtserzählung ist eine Serie brutaler Sprengstoffattentate, die kurz vor dem Fall des Eisernen Vorhangs die wichtigsten polnischen Großstädte heimsucht, auch die Metropole Warschau.
Wer für die Anschläge verantwortlich ist, ist zunächst nicht klar – wie so vieles in dieser dystopischen Welt, die geprägt ist von dubiosen Machenschaften der herrschenden Klasse, sozialen Unterschieden und von einer alles durchdringenden Überwachung. Denn ausgehend von den fiktiven Ereignissen rund um die Bombenattentate stellt „1983“ die Frage, wie eine sowjetisch-kommunistische Herrschaft unter den Vorzeichen unserer heutigen durchtechnologisierten Welt aussähe.
Ein Europa ohne Systemwechsel
Die aufkeimende Gewalt wird in der Serie vom Regime mit brutaler Gewalt beantwortet – auch einem friedlichen Systemwechsel wird so der Nährboden entzogen. Die für unsere europäische Wirklichkeit heute so bedeutende Solidarność-Bewegung findet niemals statt. 20 Jahre nach den Ereignissen suchen in „1983“ vor allem zwei Figuren nach Orientierung. Da ist zunächst der in Ungnade gefallene Polizist Anatol (Robert Więckiewicz). Nachdem er den Hintermännern einer groß angelegten politischen Verschwörung auf die Spur gekommen ist, nimmt der berufliche Aufstieg des Kommissars ein jähes Ende.
Unfreiwillig an seine Seite gesellt sich ein junger Jurastudent, er ist von einem Tag auf den anderen mit der Ermordung seines Rechtsprofessors und Mentors konfrontiert. Schnell wird den beiden klar, dass die Verschwörung und der Anschlag auf das Leben des Ex-Richters in Zusammenhang stehen.
Die Oscar-nominierte Regisseurin Agnieszka Holland spinnt in diesem raffinierten Spionage-Thriller ein ausgeklügeltes Netz aus Handlungssträngen, bei dem der Zuschauer bei aller Komplexität dennoch zu keinem Zeitpunkt den Überblick verliert. Mit hohem Tempo und jeder Menge Finten entwickelt sich der Plot, der sich in zahlreichen gesetzten Anspielungen und Pointen auch als Kommentar auf das aktuelle Polen versteht.
Wohliger Schauer
Ähnlich wie die Serie „The Man in The High Castle“ (zu sehen bei Amazon Prime), die eine Welt imaginiert, in der die deutschen Nationalsozialisten den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben, lebt auch „1983“ vom wohligen Schauer, den alternative Horror-Wirklichkeiten so gerne mit sich bringen.
Unwohl wird einem vor allem, wenn man merkt, dass viele fiktive Auswüchse dieser Serie bereits in unseren realen Gesellschaften im Ansatz vorhanden sind. Dank Holland und ihrem Drehbuchautor Joshua Long wirken diese Parallelen aber niemals plump. Erzählerisch elegant manövrieren sie diesen packenden Serien-Thriller in höchste Gefilde. Fans von vielschichtigen TV-Abenteuern werden hieran Gefallen finden
1983
Acht Folgen, je 42 Min., ab 30. November, Onlinestreaming, Netflix
FSK k. A., Wertung: 4 von 5 Sterne