Mit „Schönste Zeit“ schaffte Axel Bosse 2013 den Durchbruch, mittlerweile ist der 38-jährige aus den Charts nicht mehr wegzudenken.

Musik macht Axel Bosse, den Freunde Aki und seine Fans Bosse nennen, bereits seit seiner frühesten Jugend. Den Durchbruch schaffte der 38-jährige Sänger und Liedermacher allerdings erst 2003 mit der Hit-Single „Schönste Zeit“. Seit dem ist der Braunschweiger mit der Lizenz für ausverkaufte Hallen nicht mehr wegzudenken aus den Charts. Maxi Strauch sprach mit Bosse über das Gestern, Heute und Morgen.

Herzlichen Glückwunsch, Ihr Album ist sofort auf Platz 1 der Deutschen Albumcharts eingestiegen! Wie fühlt sich das an?

Es ist so toll. Denn irgendwie hab ich immer so ein komisches Gefühl, dass es doch irgendwann mal aufhört, keiner mehr zu den Konzerten kommt und die Leute die Musik scheiße finden. Das hat bei mir schon immer was mit Angst zu tun. Das hört wohl nie auf … Aber dann: Erst kamen die Vorverkaufszahlen, dann kam die Platte raus. Das Feedback war ganz schön toll. Ich habe mich so gefreut, dass die Leute die Platte einfach feiern. Eine Woche später kamen dann die Charts – Platz 1. Das muss man dann auch einfach mal genießen.

Wird das jetzt zur Gewohnheit? Es ist ja schließlich das zweite Nummer-1-Album in Folge …

Ne. Das ist ja auch schon meine siebte Platte. Ich habe das Gefühl, beim Musikmachen fängt man immer wieder bei null an. Auf ganz ganz vielen Ebenen. Mal abgesehen von meiner treuen Fanbasis, der muss man wirklich mal ein Kompliment machen.

Ist es denn Ihr Ziel, erfolgreich zu sein?

Um wirklich gut und frei schreiben zu können, muss man sich von jeglicher Erwartungshaltung freimachen. Und das kleinste Problem ist dabei der Druck der Charts oder ob die Songs im Radio laufen. Was sagt die Presse? Was mögen meine Fans eigentlich? Was mag meine Mutter? Man muss diese Fragen ausschalten. Und am Ende sitze ich einfach nur da, so wie mit 13, und hab ein weißes Blatt Papier vor mir, eine Gitarre und ein Klavier und dann fange ich wieder von vorne an. Und dann konzentriert man sich eher darauf: Was will ich eigentlich? Was ist gerade passiert? Was bewegt mich? Würde ich dabei nur einmal daran denken, ob das funktioniert, dann lenkt das vom Wesentlichen ab – nämlich Musik machen.

Funktioniert anscheinend – Sie werden immer populärer! Nächstes Projekt: Fernsehen, große Showformate?

Sowas jetzt nicht. Aber es steht schon mehr in meinem Kalender. Wenn ich früher eine Woche Interviews für ein Album gegeben habe, sind es jetzt um die zwei Monate. Fernsehsendungen, Interviews im Radio oder für die Zeitung … Das ist schon mehr geworden. Der Musikanteil schrumpft auf jeden Fall gegenüber dem Anteil, was ich dafür tue, um Musik machen zu können.

Und das ist was Positives?

Ich finde das schon ganz schön gut. Früher habe ich darauf gewartet, dass die Platte rauskommt, und jetzt rede ich darüber, dass die Platte kommt. Ich freue mich über jedes Gespräch, dass ich mehr führen kann.

Zurück zum Album. Sie singen im Titeltrack „Ich hab’ gelernt, das Leben zu genießen ...“ War das nicht immer so?

Doch doch. Auf eine Art und Weise schon. „Alles ist Jetzt“ ist eine Art Wasserstand, was habe ich bis jetzt gemacht, was hat mich bewegt, was hat sich für mich geändert … Genuss ist schon das richtige Wort dafür. Also nicht mehr alles zu müssen, wie das vielleicht mit 20 so war. Mit 20 habe ich viel zu wenig erlebt – habe ich zumindest gedacht. Du musst das jetzt am besten alles auf einmal erleben. Das war eine rastlose Zeit. Und die ist jetzt vorbei. Das finde ich sehr angenehm. Weil man sich natürlich trotzdem noch interessiert und neue Sachen dazukommen. Aber ich habe nicht mehr das Gefühl, dass ich so sehr getrieben bin. Das sind Momente, in denen ich dasitze und denke: Krass, ich muss gerade nichts machen! Das ist super.

Auch ein Thema: Ankommen. Sie sind also angekommen im Leben?

Verglichen mit meinen Mittzwanzigern schon, wo ich mit sehr sehr wenig Geld in der Hosentasche leicht angetrunken durch Berlin getorkelt bin, mich an jeder Ecke falsch verliebt habe und das mit der Musik nicht richtig lief. In meiner WG hatte ich nur ein Billy Regal und einen Pappkarton, weil ich sowieso bald wieder weg war. In der Zeit war ich sehr auf der Suche. Verglichen damit, habe ich schon ganz schön Glück gehabt. Ich habe eine tolle Familie, meine Band ist noch bei mir und es läuft musikalisch super. Ein paar Träume sind also schon in Erfüllung gegangen. Angekommen ist man wahrscheinlich nie, es geht ja immer weiter, aber ich bin dem schon ein Stückchen näher gekommen.

Das hört sich so an, als würden Sie die Vergangenheit bereuen ...

Überhaupt nicht. So war ich noch nie, dass ich mich über irgendwas ärgere oder schäme, was ich mal gemacht habe. Das sind ja alles Sachen, die mal zu irgendwas führen. Es gab natürlich mal schwierige Jahre, aber die gehören dazu. Die sind der Grund, warum das jetzt so ist, wie es ist.

Jetzt haben wir einen Blick zurückgeworfen und ins Jetzt. Wie sieht denn das Morgen aus?

Ich weiß es nicht. Man kann Sachen planen. Musikalisch weiß ich natürlich schon, welche Konzerte ich in den nächsten ein, zwei Jahren spiele. Für mich steht nur fest: Wenn alles so bleibt, wie es jetzt ist, dann bin ich immens damit zufrieden.

Auf Ihrem neuen Album hören wir Ihren ersten richtigen politischen Song („Robert de Niro“). Warum war Ihnen das so wichtig, auch mal musikalisch Stellung zu beziehen?

Ich bin seit meiner Kindheit ein sehr politischer Mensch. Ich glaube, ich war 13, als ich angefangen habe, mich mit weltpolitischen Sachen auseinanderzusetzen. Und daher ist es ein großer Bestandteil meines Lebens. Bisher war es allerdings nur ein kleiner Bestandteil meines musikalischen Lebens. Ich habe mich neben meiner Musik als Bosse schon für Dinge eingesetzt, hab Aktionen gestartet, hab Stellung bezogen. Aber in meiner Musik selber ist das nie vorgekommen. Bei dem immensen Rechtsruck und weil mir so oft die Kotze im Hals stecken geblieben ist, war es mir ein seelisches und körperliches Bedürfnis, jetzt endlich auch zumindest einen politischen Song zu schreiben. Und das war für mich ein richtiges Ziel, weil ich das wollte, weil es so sehr auch zu meinem Privatleben gehört.

Warum erst jetzt?

Ich bin für was ganz anderes angetreten in jungen Jahr. Ich wollte Musik machen über Freundschaft, über Glück, über Schwierigkeiten und über Kaputtes. Aber ich hätte nie als politischer Songwriter angefangen. Aber jetzt ist die Zeit der Haltung und der positiven Signale. Und auch das Signal für die Jugend, endlich politisch zu werden. Weil man sich dem Rassismus und diesem Rechtsruck einfach entgegenstellen muss. Und zwar mit Offenheit. Und das ist jetzt nicht der letzte Zeitpunkt, aber kurz vor knapp. Es ist meine Pflicht.

Ist es generell die Pflicht von Musikern, gerade weil Musik ein Sprachrohr sein kann?

Ich finde, die besten Träger auf der ganzen Welt sind immer noch Sport und Musik. Und das sind Sachen die multikulti und offen funktionieren. Im Sport zum Beispiel: eine gute Mannschaft funktioniert nur mit einer bunten Mischung aus verschiedenen Ethnien, Religionen und Klassen. Musik funktioniert genauso: Mein Publikum ist bunt, da gibt’s Leute jeden Alters, Menschen aus anderen Ländern – und alle singen das selbe Lied. Und genau deshalb ist das ein total guter Träger. Daher sollten gerade die Leute, die Musik machen, die ersten sein, die sich gegen Rassismus und Dinge, die die Freiheit und Demokratie einschränken wollen, äußern.

Ist die Musikwelt da auf einem guten Weg oder müssen noch mehr mitziehen?

Mehr geht immer. Es ist natürlich schon so: Wenn sich jetzt Feine Sahne Fischfilet, Kettcar und Bosse äußern, dann hat das sicherlich eine positive Wirkung. In meinem Publikum gibt’s eben niemanden, der politisch rechts außen ist. Das weiß ich, weil ich in Kontakt und Konversation mit meinen Leuten stehe, genau über dieses Thema. Aber da gibt es natürlich noch andere, die viel viel mehr Leute erreichen könnten, wenn die sich mal äußern würden … Zum Beispiel hat sich Helene Fischer politisch geäußert, direkt nach dem Konzert in Chemnitz hat sie einen tollen Facebook-Eintrag gemacht. Und wenn man sich mal die Kommentare durchliest, hat das anscheinend eine Menge bewirkt. Sie hat Stellung bezogen. Aber es gibt noch einige Künstler mehr, die populärer sind als ich, die noch mal ganz anders ansetzen könnten.

>>> Info: Termine 2019: 16.3. Münster (Halle Münsterland), 29.-30.3. Köln (Palladium), 22.8. Bochum (Zeltfestival). Karten kosten 45 €.