Der Kabarettist spricht seit 35 Jahren seine Gedanken über die politische Entwicklung laut aus. Bisweilen macht ihn das zornig.

Immer diese Haare! Man könnte glauben, der Mann stünde unter Strom. Und dann hetzt er manchmal auch noch über die Bühne wie ein Rumpelstilzchen. Grund zum Aufregen gibt es schließlich genug: Urban Priol (57) reflektiert seit mehr als drei Jahrzehnten das politische Geschehen. Die Themen gehen nicht aus. Im Gegenteil. Martin Korte hat mit dem Kabarettisten gesprochen.

Frage: Sie machen seit 35 Jahren politisches Kabarett. Wird es nicht langsam langweilig?

Urban Priol: Im Gegenteil. Ich habe schließlich immer reichlich Gelegenheit, aktuelle Ereignisse in mein Programm einzuarbeiten. Das führt sogar dazu, dass ich mir um 20 Uhr den Anfang der „Tagesschau“ ansehe und um 20.05 Uhr auf der Bühne darüber spreche.

Diese Hektik! Muss das denn sein?

Klar, die Zuschauer sind doch auch informiert. Sie bekommen ständig neue Push-Nachrichten auf ihr Smartphone. Wir leben nicht mehr in vergangenen analogen Zeiten.

Apropos Vergangenheit: Was denken Sie, wenn Sie heute die Stücke aus Ihrer Anfangszeit hören?

Das ist zwiespältig. Einerseits denke ich: Mensch, was warst du damals naiv. Andererseits stelle ich immer wieder fest, dass sich die Verhaltensmuster nicht verändert haben. Und dann frage ich mich: Warum lernen die Leute eigentlich nichts dazu?

Sind Sie im Laufe der Zeit ruhiger oder verbitterter geworden?

Verbittert auf keinen Fall, aber ein Stück zorniger. Das ist auch nicht schlimm, denn Zorn ist die kreative Schwester der Wut.

Sie müssen bei politischen Entwicklungen ständig auf dem aktuellen Stand sein und lesen deshalb viel. Macht gut informiert sein wütend?

Ja, manchmal schon. Aktuelles Beispiel ist Herr Maaßen, der zwielichtige Chef des Verfassungsschutzes. Der haut einfach etwas raus über die Vorfälle in Chemnitz, ohne Beweise liefern zu können und bedient damit niedere Instinkte. Das ist unsäglich und gefährlich. Bei mir kann so etwas schon mal zu Anflügen von Resignation führen.

Und dann?

Da muss man sich kurz schütteln und weitermachen.

Angeblich stecken die Medien in einer Glaubwürdigkeitskrise. Die Kabarettisten auch?

Das mit den Medien würde ich so nicht unterschreiben. Da wird vieles von außen angedichtet. Klar, die Zeitungen mussten sich umstellen, weil sie das Internet vor eine neue Konkurrenzsituation stellt. Aber ich bin ein großer Freund von Medien, die fundiert recherchieren. Ich speise schließlich meine Programme aus ihnen.

Also hat Sie noch nie jemand einen Lügenkomiker geschimpft?

Nein.

Beleidigungen anderer Art?

Klar, auch ich spüre das. Es glauben ja viele, dass im Internet auch der größte Müll gesagt werden darf. Argumente will die andere Seite oft gar nicht hören. Aber zum Glück bleibt mir gegenüber alles im verbalen Bereich.

Wer ist eigentlich die Mutter aller Probleme?

Das ist auch wieder so ein Fall. Der Bundesinnenminister bedient sich der Sprache eines Diktators, denn Saddam Hussein hat den Begriff „Mutter aller Schlachten“ geprägt. Seehofer hat ein klares Ziel: Er weiß, dass er Merkel nicht wegkriegt, will sie aber trotzdem treffen. Seehofer ist nicht mehr tragbar, auch weil er zu Chemnitz geschwiegen hat. Obwohl: Eigentlich muss man ja froh sein, wenn er nichts sagt.

Meinen Sie, Frau Merkel macht sich etwas aus Satire?

Nein, vieles prallt einfach an ihr ab. Sie kommt ja aus der Naturwissenschaft und sieht Deutschland als ein riesiges Freilandlabor, in dem sie munter herum experimentieren darf. Es geht ihr in erster Linie um sich selbst, und sie ist schon so lange im Amt, weil die Wirtschaft seit 13 Jahren machen kann, was sie will.

Wie lange bleibt Frau Merkel noch Kanzlerin?

Lang, laaang, laaaaang. Der Union geht es doch zuerst um die Macht und dann um das Land. Und es ist auch kein Nachfolger in Sicht. Wer soll es denn machen? Mir würde im Moment niemand einfallen. Dabei würde ich mir so sehr wünschen, dass sich bei uns mal wieder eine gewisse Leidenschaft für Politik entwickelt ...

>>> Informationen:

Urban Priol: gesternheutemorgen, 27.9. Düsseldorf (Savoy), 28.9. Mönchengladbach (Das Rote Krokodil im Kunstwerk), 29.9. Menden (Wilhelmshöhe), 8.11. Mülheim (Stadthalle). Karten ab ca. 23 €.