Berlin. Als erste deutsche Frau bestreitet Enissa Amani ein Comendy-Special auf Netflix - und begeistert ungemein lustig mit schlauen Pointen.

Rein optisch könnte Enissa Amani auch ein Mitglied der Reality-TV-Familie Kardashian sein: Sie trägt langes, glänzendes Haar, viel Make-up, teure High Heels mit roter Sohle. Von der Optik soll man sich aber bekanntermaßen nicht täuschen lassen. Und das gilt in Enissa Amanis Fall ganz besonders. Die 33-Jährige brauchte keine verhaltensauffälligen Schwestern, um ins Fernsehen zu kommen. Sie ist einfach nur sehr lustig.

Vom Flugzeug ins Fernsehen

Geboren wurde Amani Mitte der 80er-Jahre im Iran, den ihre Eltern wegen politischer Verfolgung verlassen mussten. Die Familie zog nach Frankfurt am Main, wo Enissa aufwuchs. Nach dem Abitur studierte sie Jura, Geld verdiente sie nebenbei als Flugbegleiterin oder mit Jobs in der Kosmetikbranche, außerdem nahm sie an Misswahlen teil und gewann einige davon. So weit, so gut.

Dann aber betrat die Frau mit dem Zahnpastalächeln und der Säuselstimme die Comedybühne. Zunächst trat sie in Cafés und bei kleinen Stand-up-Shows auf – dort, wo andere Comedians oft jahrelang ihr Dasein fristen. Für Enissa Amani aber ging es schnell nach oben. Nach einem kurzen Auftritt bei Stefan Raab im Jahr 2014 folgten Einladungen zu Talkshows, zu großen Comedyproduktionen und auch zu gediegenen Kabarettsendungen.

Das ist Enissa Amanis Einzigartigkeit: Sie beherrscht den Tussi-Talk ebenso wie die klugen Kommentare zu Politik und Weltgeschehen. Im Jahr 2016 sollte Amani schließlich in Serie gehen: mit „Studio Amani“, einer Late-Night-Show auf dem Sendeplatz bei ProSieben, den zuvor jahrzehntelang ausgerechnet Stefan Raab mit „TV Total“ besetzt hatte. Das Konzept ging nicht auf. Die Witze waren zu platt, das Setting zu konstruiert. So funktioniert die Verve von Enissa Amani nicht.

Aber viele der spannendsten Dinge passieren längst auf den großen Streamingplattformen. Mit der größten davon hat sich Enissa Amani nun eingelassen. Als erster weiblicher Comedy-Act aus Deutschland spielte sie eine Show exklusiv für Netflix. In einem edlen Theater auf St. Pauli, „umgeben von Puffs“, so Amani.

Sie macht es wegen der Kohle, erzählt sie gleich zu Beginn. Und verrät später, dass ihr sozialistischer Vater gar nicht glücklich darüber ist, dass die Tochter mit „dem netten Felix“ aus Amerika gemeinsame Sache macht. Überhaupt: ­Enissa Amani erzählt viel über sich. Was sie liebt, was sie hasst, wie sie lebt. Enissa Amani redet, wie sie denkt. Schlau, pointiert, aber in der Sprache der Straße.

Wie eine witzige Freundin

Worte wie „Kanacke“, „Bitch“ oder „behindert“ kommen ihr leicht über die Lippen und machen ihr Programm zu einer herrlich unbefangenen Angelegenheit. Intellekt trifft auf politische Unkorrektheit. Als Zuschauer hat man nicht das Gefühl, als würde sie einstudierte Gags abfeuern. Eher so, als unterhielte man sich mit einer witzigen Freun­din. Dass diese Unterhaltung, in der 60 Minuten lang immer nur sie redet, auch Längen hat, ist klar. Aber am Ende mag man sie trotzdem lieber als vorher.