Die Autorin und Comedian spricht in ihrem neuen Buch „Nicht direkt perfekt“ über das Frausein. Daraus hat die Hamburgerin auch gleich ein Comedy-Programm gezimmert
In ihrem ersten Buch „Die Fettlöserin“ schrieb Nicole Jäger über ihren Kampf gegen die Kilos, die Hamburgerin hatte ihr Gewicht von 340 Kilo nahezu halbiert. Nun meldet sich die 35-Jährige nicht nur mit neuem Buch „Nicht direkt perfekt – die nackte Wahrheit übers Frausein“ zurück, sondern steht auch auf der Bühne. Maxi Strauch hat mit der Kabarettistin über ihr neuestes Werk, das gleichnamige Programm und Schönheitsideale gesprochen.
Wie muss man sich einen typischen Besuch Ihres Programms vorstellen? Was passiert auf der Bühne?
Es knallt ordentlich auf der Bühne und man muss damit rechnen, sich schlapp zu lachen. Ich greife die Absurditäten des Alltags einer Frau auf und spreche über Dating ebenso wie über Sex, verpatzte Beziehungen oder gehe der Frage nach, warum das Rasieren als Frau eigentlich so höllisch nervig sein muss. Mit unterhaltsamen Parts, aber auch mit Parts, die emotional sind und zum Nachdenken und Nachfühlen anregen sollen.
Warum fällt Ihr Programm trotzdem unter die Sparte Comedy?
Humor ist das beste Mittel, um ernste Themen aufzugreifen und zu transportieren. Tragik ist nun einmal Komik in Spiegelschrift. Ich bin davon überzeugt, dass ein Comedy-Programm Tiefgang haben darf und dass gerade auch die ernsten Parts dazu beitragen, dass man kurz darauf wieder herzhaft lacht.
Lohnt sich denn ein Besuch, wenn ich das Buch bereits gelesen habe?
Buch und Bühne heißen gleich, sind inhaltlich jedoch völlig verschieden. Zwar spreche ich auch auf der Bühne über das Frausein und greife Themen aus dem Buch auf, aber präsentiere diese anders. Insgesamt ist es auf der Bühne humorvoller, lauter und zugegeben: dreckiger.
Sie beschweren sich, dass Sie in Interviews als erstes auf Ihr Gewicht angesprochen werden, dabei kommen Sie selbst immer wieder darauf zu sprechen. Was wäre also die Alternative?
Ich beschwere mich nicht darüber. Ganz im Gegenteil finde ich, dass wir durchaus viel offener mit Informationen wie Alter oder Gewicht umgehen sollten. Ich beschwere mich darüber, dass es fast immer die Einstiegsfrage ist und es dann dabei bleibt eine Zahl erfragt zu haben. Ich denke, es gibt über einen Menschen viel zu erfahren und gewiss mehr als nur die Frage danach, was ich heute Morgen wohl gewogen habe. Reduziert zu werden auf eine Zahl ist zum einen äußerst merkwürdig und zum anderen leider auch sehr eindimensional. Denn was genau erfahren wir denn über einen Menschen, wenn wir wissen, was er wiegt, außer, dass er oder sie vielleicht gerne isst? Ich rede durchaus sehr offen über mein Gewicht, warum auch nicht, nur gibt es dabei mehr Aspekte als nur die Zahl. Ich habe auch einen Körper, Emotionen, einen harten Kampf, Siege und Niederlagen. Lassen Sie uns darüber sprechen. In diesem Sinne: 156 Kilogramm.
Sie schreiben, es gäbe Augenblicke, da fühlen Sie sich unwiderstehlich, dann gibt es wieder diese anderen Momente. Was überwiegt?
Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, es hält sich mittlerweile die Waage und ist bestimmt durch meinen Tag und meine jeweilige Verfassung. Zumeist fühle ich mich aber wohl. Nicht immer als die Schönste, aber auch nicht wie der letzte Abschaum. Damit kann ich gut umgehen und weiter an mir arbeiten. Denn Zufriedenheit und dennoch an sich zu arbeiten, um etwas zu verändern, schließen sich meiner Meinung nach nicht gegenseitig aus.
Kann man ein Vorbild sein und Ratschläge geben, wenn man immer wieder an sich selber zweifelt?
Ich glaube sogar, dass man an sich selber zweifeln muss, um sich selbst auch immer wieder zu hinterfragen und zu wissen, wovon man da eigentlich spricht. Selbstzweifel sind nichts, das man nicht haben darf, sondern etwas, mit dem es umzugehen gilt. Ich kann ja nur über etwas sprechen, dass ich selbst erfahren habe und die Wahrheit ist, dass jeder mit sich kämpft und den Weg zum eigenen Glücklichsein sucht. Ich bin da keine Ausnahme.
Dass wir aufhören müssen, Schönheitsidealen hinterherzurennen, ist nichts Neues ...
Neu ist es nicht, jedoch haben wir es noch lange nicht umgesetzt. Für mich war einfach wichtig, ein Buch zu schreiben, in dem ein ganz ehrlicher und sehr offener Blick auf das Unperfektsein geworfen wird und dies nicht nur im weichgezeichneten Sinne, sondern, dass auch die beschämenden Aspekte mit aufgegriffen werden, über die wir sonst so gerne schweigen. Das Buch möchte über einen Weg sprechen, aus etwas Unperfektem nicht etwas Perfektes zu machen, sondern zu akzeptieren und für sich anzunehmen, dass es fürs Glücklichsein keine Zahl gibt und dass es im Leben nicht darum geht, sich immer zu optimieren (es sei denn, man will dies unbedingt) sondern auch darum, dass ich als wirklich nicht perfekte Frau ein Recht darauf habe, mich wohl, begehrenswert und geliebt zu fühlen.
Was denken Sie, woher kommen Schönheitsideale? Schmieden wir sie nicht selbst?
Zu dieser Frage gibt es hunderte Theorien. Schönheitsideale unterliegen vor allem aber Trends. Was heute als schön gilt, tut es übermorgen schon nicht mehr. Das ist ja das absurde an Idealen. Von Land zu Land, Mensch zu Mensch, Geschmack zu Geschmack variieren die Vorstellungen von einem „Ideal“ und obgleich dies so ist, sind wir ein Leben lang unglücklich, weil wir nicht in das Ideal dieser Epoche passen.
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Instagram & Co. sind voll von (vermeintlich) schönen Menschen. Dabei ist Fitness ein wichtiges Thema: Durchtrainierte Rundungen statt spindeldürre Ärmchen – bessern wir uns?
Ja und nein. Einerseits bietet dieses Medium der Kommunikation Einblicke dahingehend, dass es eben nicht nur diesen einen Körpertypen gibt, andererseits jedoch leben wir uns gegenseitig ein sehr gefiltertes Bild der Realität vor. Es wird nur das Beste von sich gezeigt, in makelloser Form, so es denn geht. Man möchte bei einigen sehr schönen Trends in Sachen Körper und Gesundheit gern glauben, dass wir uns verbessern. Die Zahlen der Menschen, die unglücklich mit sich und ihrem Körper sind, steigen jedoch nachweislich drastisch an, was gegen diese Theorie spricht. Ich glaube es gibt schlicht zwei Bewegungen: Die eine legt Wert auf Optik und Perfektion, die andere auf Akzeptanz und Vielfalt. Welche man bevorzugt, muss vermutlich jeder für sich entscheiden. Und auch spindeldürre Ärmchen haben ihre Daseinsberechtigung.
Haben auch Männer mit Unsicherheiten zu kämpfen?
Natürlich kämpfen auch Männer mit Unsicherheiten und gegen ein Idealbild an. Traut man den Magazinen, so haben Männer prinzipiell groß, gut trainiert, gut verdienend, sehr potent und eine Mischung aus Superheld, Badboy, Familienvater und Romantiker mit eigener Harley zu sein. Ich weiß aus dem Feedback zum Buch und dem Bühnenprogramm, dass sehr viele Männer sich genau so angesprochen fühlen wie Frauen. Oft sind es aber andere Themen. Zwar spielt Körperlichkeit durchaus eine Rolle bei Männern – und dies wird auch immer wichtiger – jedoch geht es auch viel um Anerkennung im Beruf, die Gehaltsklasse oder den jeweiligen Status. Der Druck ist der Gleiche, das Gebiet nur oft ein anderes.