Hamburg. . Erst kündigte die ARD eine Nachrichten-Sensation an, dann versteckte der öffentlich-rechtliche Senderverbund das Exklusiv-Interview mit Edward Snowden im Nachtprogramm. Kein Wunder, dass die Programmperle nur von wenigen Zuschauern gefunden wurde. Es war nicht die einzige Panne.

Auf ihre Informationskompetenz hält sich die ARD viel zu gute. Da will das Erste die Nr. 1 sein. Deshalb brüstete sich der öffentlich-rechtliche Senderverbund stolz mit dem früheren „Spiegel“-Chefredakteur Georg Mascolo als neuem Leiter der Recherche-Redaktion von NDR und WDR. Mehr noch: Kurz darauf kündigte das Erste ein weltexklusives Interview mit Edward Snowden an, dem Mann, der die NSA-Affäre ins Rollen brachte. Und dann versemmelte die ARD die Sensation.

Was das Erste groß angekündigt hatte, versandete in kleinem Kreis. Das Snowden-Gespräch hatte nur 2,01 Millionen Zuschauer. Das entsprach einem unterdurchschnittichen Marktanteil von 10,9 Prozent. Der Film von ARD-Reporter Hubert Seipel erreichte nur 530.000 Zuschauer unter 50. Das entsprach einer mäßigen Quote von 6,8 Prozent bei den Jüngeren.

ARD wich nicht vom starren Programmschema ab

Ein Thema von überragender öffentlicher Bedeutung und eine bedrückend schwache Zuschauer-Resonanz – was war die Ursache?

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Ein Grund liegt auf der Hand: Die ARD hatte das brisante Material, wie so oft, im Nachtprogramm versteckt. Was ARD-Reporter Seipel Snowden in Moskau entlockte, war erst um 23.10 Uhr zu sehen. Bis dahin beließ es die ARD bei dem bekannten Sonntagabend-Schema: erst der „Tatort“, dann der ARD-Talk „Günther Jauch“ und die „Tagesthemen“, um den Abend mit Doku, Reportage oder eben einem Interview zu beschließen.

Die starre Programmierung hatte zur Folge, dass das Erste dem Publikum zunächst Meinungen zum Fall Snowden präsentierte – und dann erst die Fakten.

Erst die Fakten und dann die Debatte darüber

Fair wäre anders herum gewesen. Wäre das lediglich 30-minütige Interview vor dem Talk gezeigt worden, hätte das Publikum die Chance gehabt, Snowdons Äußerungen zunächst selbst zu bewerten. Anschließend wäre es für Zuschauer leichter gewesen, die Ansichten von Experten und Politikern mit der eigenen Meinung zu vergleichen.

Warum die ARD nicht von ihrem Programm-Schema abwich? ARD-Chefredakteur Thomas Baumann rang sich auf Anfrage zu einer Antwort durch. Interviews, deren Originalton mit einer Übersetzung übersprochen wird, werden laut Baumann „über eine längere Strecke vom Publikum nur bedingt angenommen“. Übersetzung: Dem Ersten ging Quote vor Qualität, Reichweite vor Relevanz.

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Warum das englische Original zunächst unter Verschluss lag

Doch mangelnder Mut war nicht das einzige Problem bei der Präsentation des Snowden-Interviews. Das Gespräch lag zunächst nur in einer synchronisierten Fassung vor. Das englische Original-Gespräch blieb unter Verschluss. Der zuständige NDR berief sich auf eine komplizierte Rechtelage. Fakt ist: Die Rechte gehören der Produktionsfirma Cinecentrum. Kurioserweise ist aber auch Fakt: Das Unternehmen gehört dem NDR.

Nach einem Aufschrei von Online-Fachdiensten machte der NDR schließlich gute Miene zum bösen Spiel. Seit Montagnachmittag steht das englischsprachige Original im Netz.