Essen. Das Fernsehjahr 2013 geht zu Ende, und dieses Jahr stand für eine Menge Überraschungen, für Jubel, für Empörung und für unfreiwillige Komik. Wir erinnern an fünf Highlights - von „Add A Friend“ bis “Weißensee - und an fünf Momente, die besser nie gesendet worden wären.

Top: Mathias Brandt, die Antithese zur Münchner Bussi-Bussi-Welt

Matthias Brandt ist in der Form seines Lebens. Dem 52-Jährigen gelang, den Ruf des Münchner „Polizeirufs 110“ mindestens zu halten. Und das, obwohl das Duo Edgar Selge als Jürgen Tauber und Michaela May als Jo Obermaier etliche Folgen hingelegt hatten, die damals nicht nur mit vielen Preisen bedacht wurden, sondern auch heute noch sehr ansehnlich sind. Dabei ist Brandts Figur Hanns von Meuffels kein Ranschmeißer. Er wirkt preußisch, korrekt, kühl – eine Antithese zur Münchner Bussi-Bussi-Welt. Zuweilen gar wirkte er so distanzierend, dass seine zugegebenermaßen zuweilen etwas depperte Assistent Anna Burnhauser (Anna Maria Sturm) Mitleid erweckte.

Dass Meuffels inzwischen milder und zugänglicher wirkt, zeigt das Wandlungspotenzial der Rolle. Kein Wunder, dass es dem Bayerischen Rundfunk gelingt, für die „Polizeiruf“-Folgen mit Brandt Top-Regisseure zu engagieren. In diesem Jahr legte Brandt zwei herausragende Auftritte hin. „Der Tod macht Engel aus uns allen“ lebte davon, dass Brandt im Wechselspiel mit Episoden-Star Lars Eidinger als Transe zur Höchstform auflief. Und Leander Haußmanns Erziehungsdrama „Kinderparadies“ konnte das Niveau halten. Mehr davon!

Flop: Der Saarbrücker Tatort, albern statt komisch

Der Saarbrücker „Tatort“. Devid Striesow beeindruckt immer wieder, nicht nur als schillernder KZ-Offizier im Oscar-prämierten Kino-Film „Die Fälscher“. Der 40-Jährige hat zu Recht eine Menge Preise eingesammelt. Und dann kam der „Tatort“ Saarbrücken. Eine Rolle als Kommissar in Deutschlands erfolgreichster Krimi-Reihe bringt Schauspieler üblicherweise in die erste Liga ihrer Zunft oder bestätigt zumindest ihren Status. In diesem Fall jedoch ist es anders, und Striesow hat sogar einen gewissen Anteil daran.

Devid Striesow als Tatort-Ermittler.
Devid Striesow als Tatort-Ermittler. © SR

Der kleine Saarländische Rundfunk wollte einen Kommissar mit Erinnerungseffekt, und dabei wollte er sich am Erfolgsmodell des Münsteraner „Tatort“-Teams bedienen: schräge Typen, humorige Fälle, klamaukige Szenen. Doch was die Nachahmer nicht bedachten: Es gibt einen feinen Unterschied zwischen komisch und albern. Ein Kommissar mit Bubi-Attitüde, Gummistiefeln und Vespa ist albern – vor allem dann, wenn solch ein Suppenkasper unter Rockern ermittelt. Kommissar Stellbrink – eine Fehlzündung.

Olli Dittrich kann es immer noch 

Top: Olli Dittrich als Dittsche - Comedy ohne Verschleiß

Olli Dittrich ist in der Komik-Branche der Edelstein unter Plastikklunkern. Sein „Dittsche“ leidet kaum unter Verschleiß, seine spontane Nachbetrachtung zur „Tatort“-Premiere mit Til Schweiger, dessen Rollennamen Nick Tschiller er zu Tschick Niller verwurstete, steht für großes Impro-Theater. Dittrich kann aber auch anders. Sein „Frühstücksfernsehen“ am Abend zeigte, dass der Edel-Humorist ein würdiger Nachfahre von Loriot ist: ein sehr genauer Beobachter des Medienbetriebs mit einer feinen Antenne für dessen oft gar nicht so offensichtlichen Absurditäten.

Dittrich verfügt zudem über das Feingefühl, Sketche zu produzieren, die eben nicht mit greller Komik arbeiten. Sie halten sich dicht an den Originalen, und oft wird deren Flachsinn erst auf den zweiten Blick offenbar. Wie Loriot gelingt es Olli Dittrich übrigens auch, elegant von tiefgründiger Hochkomik zum spielerischen Kalauer zu wechseln. Schön, dass sich der WDR entschlossen hat, mit Dittrichs „Frühstücksfernsehen“ weiterzumachen.

Flop: Wetten, dass..? Mallorca-Spezial

Das Mallorca-Special von „Wetten, dass..?“ stimmte lange Zeit im Frühling auf den Sommer ein. Palmas Stierkampf-Arena eignet sich perfekt dazu, entspannte Urlaubsstimmung aufkommen zu lassen. Das ZDF war gut beraten, Markus Lanz da weiterwerkeln zu lassen, wo sein Vorgänger Thomas Gottschalk aufgehört hatte. Mallorca war für Lanz eine Riesenchance, sich mit einem Spektakel in die Sommerpause zu verabschieden. Lanz hat sie versemmelt. Beim Niveau-Limbo kam der Sonny-Boy ganz weit runter – vor allem weil er nicht davon lassen konnte, Hollywood-Stars vor einem Millionen-Publikum zu blamieren. Zur Erinnerung: Lanz konnte der Versuchung nicht widerstehen, Gerald Butler Eiswürfel in die Hose zu schütten.

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Kein Wunder, dass sich angloamerikanische Stars inzwischen öffentlich über Lanzens „Hangover“-Mätzchen lustig machen oder sich gegenseitig unverhüllt davor warnen, zum öffentlich-rechtlichen Sofa-Marathon verurteilt zu werden. Auch viele Zuschauer haben inzwischen den Papp auf. Das lag auch an Cindy aus Marzahn. Am Anfang war's ein akzeptabler Gag, Gottschalk-Barbie Michelle Hunziker durch den Lila-Laune-Bär der Comedy-Szene zu ersetzen. Aber Cindy aus Marzahn war ein Fremdkörper in der Show. Zum Schluss erkannte Deutschlands unlustigste Komikerin, dass ihre Rolle vor allem eines war: verzichtbar.

ARD-Brennpunkt-Redaktion blamiert sich gleich mehrfach 

"Add a Friend" - saugut, aber faktisch ohne Zuschauer

Die Serie fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, und dennoch hat sie es verdient, erwähnt zu werden. Mehr noch: Wiedersehen macht Freude. Der Bezahlkanal TNT Serie startete still und heimlich eine eigene Serie. „Add A Friend“ lebt von jungen Gesichtern, aber sie lebt noch viel stärker von einer jungen Idee. Im Mittelpunkt steht nämlich eigentlich gar nicht das prächtige Ensemble um Ken Duken, sondern die zeitgeistige elektronische Kommunikation.

Die Produktionsfirma Wiedemann & Berg zeigte in mittlerweile zwei Staffeln, dass das deutsche Fernsehen mehr kann als Krimi und Pilcher. Die Macher von „Add A Friend“ - Sebastian Wehlings und Christian Lyra - zeigen, dass SitCom durchaus einen glaubhaft deutschen Akzent haben kann. Die deutsche Produzenten-Szene wäre gut beraten, Talente wie sie zu fördern. Es kann nicht sein, dass nur Bora Dagtekin, Ralf Husmann und eine Handvoll weiterer Kreativer in der Lage sind, zugespitzte Dialoge zu schreiben.

Flop: Brennpunkt - Die ARD kann nur Wetter

„Brennpunkt“. Gleich zwei Mal hintereinander gönnte die ARD „Xaver“, was Angela versagt blieb. Die beiden „Brennpunkte“ zum Sturm wollten beim Publikum Schönwetter machen. Doch der starken Publikumsbeteiligung standen schwache Fakten entgegen. Die beiden Sondersendungen recycelten zum guten Teil das, was bereits in der 20-Uhr-Ausgabe der „Tagesschau“ zu sehen war. Besonders bedrückend war, dass nicht das Unwetter selbst die Entscheidung der Redaktion „ARD aktuell“ bestimmt hatte, sondern eine Unwetterwarnung.

Unterm Strich bescherte „Xaver“ Norddeutschland Hochwasser und Verkehrsbehinderungen. Die Bilanz der Versicherer fiel jedoch viel glimpflicher aus als befürchtet. Kurzum: Um das Thema Wetter machte die ARD viel zu viel Wind. Dem gegenüber war die Empörung über die Abhöraffäre um Kanzlerin Merkels Handy ein laues Lüftchen. Ob die Redaktion sich für einen „Brennpunkt“ entscheidet oder nicht, ist offenkundig abhängig von Laune und Tagesform. Da ist von den zuständigen Gremien etwas fällig: ein Donnerwetter.

RTL und die unfreiwillige Komik 

Lilyhammer - schräge Mafia-Serie aus Norwegen

Ausgerechnet das Internetfernsehen zeigt den traditionell arbeitenden Kollegen, wo Bartel den Most holt. Ein Paradebeispiel dafür ist die schräge Mafia-Serie „Lilyhammer“. Steve Van Zant mimt einen Mafioso, der sich ausgerechnet Norwegen aussucht, wo er im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms ein neues Leben anfangen will. Aber: Schlimmer Finger bleibt schlimmer Finger. Und so hat der Zugereiste aus New York nichts besseres zu tun, als den beschaulichen Olympia-Austragungsort in ein Las Vegas des Nordens zu verwandeln.

Was aber viel interessanter ist als die Variation bekannter Mafia-Motive: Die Serie führt die angeblich so politisch korrekte Norweger als ganz normale Menschen vor, die letztlich juristisch oder aber zumindest moralisch längst nicht immer auf der richtigen Seite stehen. Spannend dabei: Damit die Serie weltweit vermarket konnte, ging das norwegische Fernsehen einen Deal mit der amerikanischen Video-on-Demand-Plattform Netflix ein. Das Ergebnis ist eine Serie, die in vieler Hinsicht Neues bietet. Im Umkehrschluss wirken viele deutsche Serien dagegen so bieder wie Haxe mit Sauerkraut.

Flop: RTL-Produktion "Helden" - Selten war Fernsehen so unfreiwillig komisch

Mehr Pathos geht nicht: RTL-Produktion
Mehr Pathos geht nicht: RTL-Produktion "Helden". © RTL

„Helden – wenn dein Land dich braucht“: Für die RTL-Produktion muss bei Deutschlands Fernsehpreisen eine neue Kategorie erfunden werden. Der Film hat eine Auszeichnung verdient in der Kategorie „Unfreiwillige Komik“. Selten gelang einem Regisseur – in diesem Fall: Hansjörg Thurn – brillanter, Nonsens zu inszenieren. Zugegebenermaßen erwiesen sich die Drehbuch-Autoren Derek Meister und Simon X. Rost als späte Erben dadaistischer Autoren. Nie wurde Nationalpathos in Tateinheit mit Untergangsfantasien besser ad absurdum geführt.

Vermutlich wird „Helden“ irgendwann einmal dadurch geadelt, dass der Film in einer Trash-Reihe von Tele 5 auftaucht. Aber vielleicht verschwindet die Produktion exakt in dem schwarzen Loch, die sie herausbeschworen hat.

Todeszone Vorabend - Wo Niveau einfach versinkt 

Top: Weissensee ragt aus dem Serien-Einerlei heraus

Die deutsche Serie liegt darnieder, zumindest im frei empfangbaren Fernsehen. Bei neuen Comedys blieb RTL wie Sat.1 schnell das Lachen im Hals stecken, und die Öffentlich-Rechtlichen überraschen das Publikum meist mit dem, was sie schon kennen. Am Dienstag ruft der anspruchsvolle Zuschauer meist: Um Himmels Willen! Umso erstaunlicher ist, dass sich die ausgerechnet die alte Tante ARD dann doch dazu durchrang, die DDR-Serie „Weissensee“ fortzusetzen. Lassen wir das Begleitgetöse um die allzu große Zeitverzögerung bei der Fortsetzung des Projekts beiseite – im September ging das Stasi-Drama um den fiesen Falk Kupfer (Jörg Hartmann) und seine Sippe weiter. Tatsächlich ragt auch die zweite Staffel aus dem Leipziger Allerlei deutscher Fernsehunterhaltung heraus.

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Die Serie hatte einen Zeitsprung gemacht; sie spielte zuletzt in Zeiten von Gorbis Glasnost und stellte dar, wie verunsichert die DDR-Führung damit umging. Produzentin Regina Ziegler und Serien-Erfinderin Annette Hess entwickelten das brillante Konzept der Serie, die Zeitgeschichte mit berührenden Einzelschicksalen verbindet, klug weiter. Jede Folge barg Überraschungen, und der jeweilige Cliffhanger machte Lust auf mehr. Mal sehen, was die dritte Staffel bringt. Sie spielt kurz vor dem Mauerfall.

Flop: Todeszone Vorabend - Bauerntheater statt großer Komödie

Den Vorabend der ARD hat ein längst pensionierter Programm-Hierarch einmal als „Todeszone“ bezeichnet. Tatsächlich scheint das Zeitfenster zwischen 18 und 20 Uhr für das Erste eine Art Bermuda-Dreieck zu sein, wo in der Regel Programm-Niveau aus scheinbar unerklärlichen Gründen in der Versenkung verschwindet. Das musste Thomas Gottschalk mit seinem unsäglichen Talk erleben, und das gilt auch für viele Serien aus der Reihe „Heiter bis tödlich“. Die ARD wollte das Erfolgsmodell des Zweiten kopieren, deren „Sokos“ mit soliden, jugendfreien Regionalkrimis beste Quoten einfahren.

Das Erste übernahm die Idee der Regionalisierung. Gepimpt werden sollte mit dem erfolgreichen Comedy-Konzept des Münster-„Tatorts“. Das Vorhaben ging gründlich schief. Statt großer Komödie gab's nur kleines Bauerntheater – und nicht nur deswegen, weil die Vorabendfolgen kürzer sind. Der dümmlichste Versuch, beim Publikum zu punkten, war zweifelsohne die in Aachen angesiedelte Lokaljournalisten-Serie „Zwischen den Zeilen“, deren Humor nicht in den Zeilen zu entdecken war.