Essen. In der neuen Kochshow „The Taste“ auf Sat.1 kochen sich die Kandidaten in die Teams von Starköchen wie Tim Mälzer, Lea Linster, Alexander Herrmann und Frank Rosin. Dabei zeigt sich: Profis haben nicht immer die Nase vorn und Lammrücken kann ebenso entzücken wie ein Liebeslied. Auch eine Velberterin kochte mit.

Über Geschmack lässt sich streiten. Ein ausgelutschter Spruch, ich weiß, aber er passt einfach zur neuen Kochsendung auf Sat.1. Denn bei „The Taste“, zu Deutsch eben „Der Geschmack“, streiten sich vier Starköche über gelungene Gerichte und um begabte Kandidaten. Wie im musikalischen Vorbild „The Voice of Germany“ verkosten die Juroren Tim Mälzer, Frank Rosin, Lea Linster und Alexander Herrmann die Gerichte, ohne zuvor die Köche gesehen zu haben. Am Ende hatte jeder Starkoch sein Team zusammen und ließen die Zuschauer mit zwei existenziellen Fragen zurück: Ist Kochen nun Handwerk oder Kunst? Und was soll ich morgen bloß kochen?

Bei Kochsendungen bekomme ich immer Hunger. All die appetitlich angerichteten Teller, da meint man den Duft aus den Lautsprechern des Fernsehers strömen zu sehen. Bei „The Taste“ bekommen die Juroren von den Kandidaten die Gerichte nicht auf Tellern vorgesetzt, sondern auf Löffeln, sozusagen im Miniformat. Ein Mund voll Aromen und Konsistenzen entscheidet also über das Schicksal der Teilnehmer.

Bevor die Juroren diese nämlich sehen dürfen, müssen sie sich bereits entscheiden, ob er oder sie in ihr Team gehört oder nicht. Bekommt ein Kandidat mehr als eine Zusage, darf er selber entscheiden, welcher Koch in zukünftig coachen soll. Eigentlich buhlen also nicht nur die Kandidaten und die Gunst der Jury, sondern die Juroren auch um das Vertrauen der Kandidaten. Der ewige Casting-Show-Spieß wird bei „The Taste“ umgedreht.

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Juroren liefern sich hitzige Wortgefechte

Fleischermeisterin Christa kredenzt den vier Juroren fettig glänzende Blutwurstravioli und kocht sich damit in das Team von Lea Linster. Dann serviert Jungkoch Dennis zarten Lammrücken. Nur Tim Mälzer möchte ihn im Team haben, trotz einiger Anfängerfehler: „Ich möchte keinen fertigen Koch, sondern etwas zu tun haben“, lautet sein Motto als Lehrer. Danach muss sich die lustige Leila aus Saint Tropez am Herd beweisen. Sie überzeugt die Jury mit Scampis in Mango-Chili-Soße und ihren flotten Sprüchen. Die eine Stunde Zeit zum Kochen war für sie der reinste „Orror!“ und zu Alexander Herrmann meint sie: „Sie sind so übsch!“ Auf so ein freches Mädchen hat Lea Linster nur gewartet.

In der Werbepause hole ich mir ein paar Chips. Dummerweise verlieren frittierte und gesalzene Kartoffelscheiben ihren Reiz, wenn man bereits 45 Minuten lang kulinarische Wunderwerke betrachtet hat. Zum Glück war die Tüte schon fast leer.

Die meisten Gerichte entfachen bei den „The Taste“-Juroren hitzige Wortgefechte. Rosin beschimpft Mälzer zum Beispiel als „hässlichen Vogel“ und „schäbigen Koch“. Der schießt genauso scharf zurück, nennt Rosin und Herrmann alte Herrschaften. Nur Lea Linster bleibt verschont. Manchmal sind sich die Köche aber auch alle einig. Etwa bei der 56-jährigen Graciela, die am liebsten mit den Händen kocht. Mixer? Saftpresse? Bratenklopfer? Wer braucht das schon?

Graciela kocht mit Verstand und Leidenschaft. Sie zaubert ein balinesisches Hummergericht und gewinnt damit alle Juroren für sich. Und die bluffen, um Graciela in ihr Team zu bekommen: Suchen Makel am perfekten Gaumenschmaus, fadenscheinige Ausreden, um ihr eigenes Interesse vor den anderen zu verbergen. Schließlich überzeugt Tim Mälzer die Profiköchin für sich und sieht die Chancen, mit seinem Team zu gewinnen, gewaltig wachsen. Einig sind sich die Juroren auch bei Restaurantbesitzer Stefan, der seine Jakobsmuscheln in Kokossoße ertränkt und das Ganze mit einer sauren Miene garniert. Es ist wohl das einzige Mal, dass die Köche ein Gericht wieder ausspucken.

Nur der Geschmack zählt in der neuen Sat.1-Kochshow „The Taste“ 

Schon wieder sieben Minuten Werbung. Ich werfe einen Blick auf Chefkoch.de. Tausende Hobbyköche in Deutschland können nicht irren: Essen kann eben mehr sein als bloße Nahrungszufuhr und Kochen macht vielleicht sogar Spaß. Ich nehme mir fest vor, demnächst mehr Freude beim Kochen zu empfinden. Auch wenn ich den Abwasch hasse.

Um gut kochen zu können braucht es nicht unbedingt eine Ausbildung. Manchmal hindert die einen sogar daran, über sich hinaus zu wachsen. Artur etwa hält viel von sich und seiner Arbeit. Er ist Küchenchef in Hamburg. Das Rotbarschfilet mit Rote-Beete-Dressing bewertet er selbst als sehr gelungen. Den „The Taste“-Juroren fehlt das gewisse Etwas. Durchgefallen. Arturs Verlobte Jamila allerdings, die bei ihm in der Lehre war, überzeugt mit ihrem Kalbstatar auf Blumenkohlpüree Frank Rosin und hofft nun auf den Sieg.

Hausfrau Heidi, 69, aus Velbert, hat das Kochen schon in jungen Jahren gelernt. Es gehörte damals eben dazu, erzählt sie heute, dass für den Mann abends das Essen auf dem Tisch stand. Sie genießt den Umgang mit Töpfen und Pfannen, auch wenn ihre Gericht „nicht immer der Burner“ seien. Heidi hofft ebenfalls, zu gewinnen, besonders wegen der 10.000 Euro, die dann auf sie warten: „Ich brauche das Geld, denn ich bin arm und alt und möchte mit meinem Mann in die Karibik.“ Zwar kocht Heidi an diesem Abend nach einem Rezept von Tim Mälzer, sie landet dann aber im Team von Lea Linster.

Wann wird endlich das Geschmacksfernsehen erfunden? 

Während der dritten Pause erwische ich mich dabei, wie ich in den Kühlschrank schaue. Joghurts, Ketchup, eine runzelige Paprika und eine Tube Senf…. Was man daraus wohl kochen könnte? Aber nicht mehr heute. Vor einer Stunde noch knurrte mein Magen noch, jetzt fühle ich mich seltsam satt. Satt vom Anblick der vielen, vielen Löffelportionen, die die Starköche schon verdrücken mussten. Anderen beim Essen zusehen anstatt selber zu essen… Ob es sich bei „The Taste“ wohl um eine versteckte Diätsendung handelt? Angesichts dieser tieferen Ebene setze ich mich verwirrt wieder aufs Sofa.

The Voice of Germany„The Taste“ macht keinen Hehl daraus, dass es an „The Voice of Germany“ angelehnt, wenn nicht sogar davon abgeguckt ist. Ob jemand nun singt oder kocht, bei beidem geht es doch nur um Leidenschaft und Talent, eben um Emotionen. Ob die nun im Ohr oder auf der Zunge entstehen, ist eigentlich egal. Allerdings bleibt dem Zuschauer bei „The Taste“ eine wichtige Erfahrung erspart: Er kann die Gerichte nicht selber schmecken. Gesang klingt für den Zuschauer so wie für den Juror. Geschmackfernsehen wurde leider noch nicht erfunden. Aber vielleicht lecken wir in naher Zukunft unsere Bildschirme ab, um bei Kochshows wie „The Taste“ noch näher dran zu sein.

Zum Schluss haben die Köche ihre vier Kandidaten zusammen und mir ist stellevertretend für Mälzer, Linster, Rosin und Herrmann ein wenig schlecht.